Religion unter Rechtfertigungsdruck

ISLAM In Hamburg trafen sich 400 Muslime verschiedener Strömungen, um über ihren Umgang mit Extremismus zu diskutieren. Besonders umstritten war, ob Distanzierungen von Terroristen nötig sind

Einiger Teilnehmer sind vom ständigen Positionierungsdruck genervt

Muslime liegen im Ranking der unbeliebtesten Minderheiten ziemlich weit vorne. Das zeigt nicht nur der Zulauf, den die Pegida-Bewegung findet, sondern auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. 57 Prozent der Befragten nehmen danach den Islam als Bedrohung war. Zugleich unterstützen einzelne deutsche junge Muslime den IS bei seinem Terror in Syrien und im Irak. Wie verhält man sich angesichts dieser Lage als MuslimA? Darum ging’s bei der Islamische Einheitskonferenz, die am Samstag im Islamischen Zentrum in Hamburg stattfand.

Um deutlich zu machen, dass SalafistInnen und andere ExtremistInnen nichts mit dem Islam zu tun hätten, müsse man sich klar positionieren, sagte Ayatollah Ramezani, der Leiter des Islamischen Zentrums. Der Journalist Eren Güvercin widersprach: Die Anschläge der ExtremistInnen hätten sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun, schließlich begründeten die Attentäter ihr Handeln ja mit diesem. Die Religionsgemeinschaft sei folglich in der Pflicht, zu beweisen, dass die grausamen Taten durch den Islam nicht zu rechtfertigen seien.

Belal El-Mogaddedi von der Deutschen Muslim-Liga hingegen erklärte, er verweigere sich dem ständigen Zwang, sich zu positionieren. „Nur weil diese Kriminellen sich auch als Muslime verstehen, muss ich sie noch lange nicht als Brüder im Geiste verstehen und mich von ihnen abgrenzen“, argumentierte er. Auch die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur sei vom ständigen Positionierungsdruck genervt, sagte sie, und fragte: „Warum geht man nicht davon aus, dass ich – ganz normal – Vergewaltigung und Mord schrecklich finde?“

So verschieden die rund 400 TeilnehmerInnen der Tagung in ihren Glaubensauffassungen waren, gab es doch einen Konsens: Um zu verhindern, dass ExtremistInnen und Pseudo-ExpertInnen – wie beispielsweise der Hamburger Salafist Pierre Vogel – Zulauf bekämen, müsse man die islamischen Lehre stärken.  KSCH