Im Bett mit Herrn Olbricht

WEIBLICH Mit „Queensize – Female Artists from the Olbricht Collection“ im me Collectors Room soll ein explizit weiblicher Blick ausgestellt werden – doch gelingt das auch?

VON ANNE-SOPHIE BALZER

Ein junges Mädchen ruht in einer zusammengerollten Haltung auf einem Perserteppich. Der Körper auf den Knien, die Hände unter dem Po neben den Füßen. Die Augen sind geschlossen, die langen Haare liegen ausgebreitet. Fast sieht es so aus, als träumte es einen schönen Traum – wäre da nicht das ziemlich irritierende Wallaby, das wie eine Ratte aussieht, ausgestreckt auf dem Rücken des Mädchens liegt und beinahe so groß ist wie die Träumerin selbst. Die Figur mit dem Titel „Balasana“ ist von der Australierin Patricia Piccinini und bildet die erste Impression der Ausstellung „Queensize“ der Olbricht Collection.

Es ist das erste Mal, dass Thomas Olbricht, Arzt und europaweit einer der größten Kunstsammler, eine Ausstellung nur den Künstlerinnen seiner Sammlung widmet. Rund ein Drittel seiner etwa 4.000 gesammelten Werke sollen von Frauen stammen – eine Tatsache, die für Olbricht nach eigenen Angaben wenig Bedeutung hat. Er halte auf seinen Streifzügen lediglich nach Qualität Ausschau, ob die Arbeiten dann von Männern oder Frauen stammten, habe keinen Einfluss auf seine Kaufentscheidung. Vom spezifisch Weiblichen der ausgestellten Arbeiten geht er offensichtlich dennoch aus, sonst hätte sich eine solche thematische Ausstellung ja erübrigt.

Auf einem Rundgang durch „Queensize“ können drei Räume mit insgesamt 150 Arbeiten durchschritten werden, der erste ist Kuratorin und Dokumentarfilmerin Nicola Graef zufolge der Geburt, der zweite dem Leben und der dritte dem Tod gewidmet. Geburt und Tod können wörtlich aber auch metaphorisch verstanden werden. Der Name der Ausstellung nimmt Bezug auf das zweitgrößte Bettformat, typischerweise in Hotels als solches bezeichnet. Die Assoziation mit gekauftem Sex im Queensize-Bett ist nicht beabsichtigt. Kuratorin Graef erklärt das Bett viel mehr zur Chiffre menschlichen Lebens. Hier werden Geburt, Sexualität, Leben und Tod erfahren. Die Frage, die sich für die Kuratorin anschließt, ist jene nach der weiblichen Spezifik dieser Erfahrungen. „Wie nehmen Frauen diese drei Lebenszyklen wahr? Wie nehmen Frauen sich wahr und wie werden sie von außen wahrgenommen?“

Als individuelle Antwort- und Interpretationsversuche der Künstlerinnen schlängeln sich rot bemalte Glassteine auf dem Boden durch die drei Räume, die die Künstlerin Kiki Smith arrangiert hat; eine „Bloodline“, so der Titel, als spezifisch weibliche Lebenslinie. Oder es posieren Inge und ihre Mutter Emma in einer mexikanischen Reichensiedlung in ihrem selbst gewählten Exil aus Prunk und Kitsch (Daniela Rossell). Marlene Dumas, eine feministische Künstlerin, malt spärlich bekleidete bis nackte Prostituierte mit Tusche, ihre Gesichter schwarz, die Brüste ausgestellt. Unschlüssig fragt man sich, ob diese Frauen nun stark und eigenwillig dargestellt sind oder als Opfer männlicher Gier. Im hinteren Raum schaut einen eine blutende Vagina an, von der man nicht sicher sein kann, ob sie beschnitten oder vergewaltigt wurde. Oder ob sie einfach nur menstruiert.

Plakativ hängt ein gigantischer Phallus von Cindy Sherman extra weit oben an der Wand, damit auch der Letzte kapiert, wer hier das unterdrückte Geschlecht ist. Andere Positionen sind ambivalenter. Dennoch: Körper sind viele zu sehen, vor allem entblößte. Dass diese von Frauen fotografiert oder gemalt wurden, mitunter verbunden mit der Aufgabe an die Modelle, so zu posieren, wie sie sich selbst sehen möchten (Bettina Reims, Daniela Rossel), ist zunächst als intimes Spiel mit dem eigenen Körper, mit Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verstehen.

Für Olbricht und die KuratorInnen Nicola Graef und Wolfgang Schoppmann existiert er ganz offensichtlich, der weibliche Blick auf die Welt. Ein durchaus strittiges Konzept, das in der Ausstellung leider erst gar nicht weiter erläutert wird. Noch dazu beschleicht einen das Gefühl, dass die porträtierten Frauen eigentlich dem männlichen Blick huldigen. Für diesen posieren sie, für diesen öffnen sie ihre Schenkel, für diesen sterben sie einen gewaltsamen Tod.

Und an den binären Geschlechterkategorien wird schon mal gar nicht gerüttelt. Dabei wäre ein Ausflug abseits der Männlich/Weiblich-Kodierung gerade mit Künstlerinnen wie Cindy Sherman durchaus möglich gewesen.

Vielleicht gerade deshalb ist Piccininis träumendes oder albträumendes Mädchen zu Beginn der Ausstellung eines der stärksten Werke. Es entzieht sich dem Blick der anderen, die Augen sind geschlossen, der eingerollte, geschützte Körper ist der eines fünfjährigen Mädchens. Es stellt nichts dar, es wird nicht ausgestellt.

■ „Queensize – Female Artists from the Olbricht Collection“. me Collectors Room, Auguststr. 68. Di.–So. 12–18 Uhr. Bis 30. August