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Archiv-Artikel

Marode Atomkraftwerke bedrohen Netzstabilität

STUDIE In Großbritannien gab es 62 ungeplante Abschaltungen in den letzten drei Jahren

FREIBURG taz | Der häufige Ausfall von Atomkraftwerken gefährdet zunehmend die Stabilität der britischen Stromversorgung. Zu diesem Ergebnis kommt der Atomkraftberater Pete Roche aus Edinburgh nach der Analyse von 62 ungeplanten Reaktorabschaltungen in den vergangenen drei Jahren. Lokale Anti-Atom-Initiativen haben die Studie in Auftrag gegeben.

Roche schreibt, die Abschaltungen stellten die Netzbetreiber vor große Herausforderungen, weil die Ausfälle – anders als etwa die schwankende Erzeugung von Windkraftanlagen – nicht vorhersehbar sind. So steht es seit Jahren mit der Netzstabilität auf den Britischen Inseln nicht zum Besten: Im Vergleich zu Deutschland, wo Haushalte im Schnitt mit nur 15 Minuten Stromausfall jährlich rechnen müssen, liegt Großbritannien mit 70 Minuten deutlich höher. Mehrere der britischen Reaktoren haben ihre ursprünglich angesetzte Laufzeit schon um sieben bis acht Jahre überschritten.

Roche sorgt sich daher nicht alleine um die Netzstabilität, sondern auch um die nukleare Sicherheit: Die Ausfälle wiesen auf ernsthafte Probleme hin. Alleine am Standort Dungeness im Südosten der Grafschaft Kent gab es im Untersuchungszeitraum 21 ungeplante Abschaltungen.

Aber auch bei anderen Reaktoren häufen sich die Ausfälle. Von den gesamten nationalen AKW-Kapazitäten seien im Herbst zeitweise nur noch 43 Prozent am Netz gewesen. So ist die nuklear erzeugte Strommenge in Großbritannien gemessen am Maximalwert Ende der achtziger Jahre inzwischen um rund 30 Prozent eingebrochen. 2014 sank sie weiter: Im dritten Quartal – das sind die letzten verfügbaren Daten – wurde 16 Prozent weniger Atomstrom erzeugt als im Vorjahr.

Als Argument für den Neubau von Reaktoren können die störanfälligen Altmeiler jedoch kaum dienen. Denn auch Großbritannien erlebt gerade einen Boom der erneuerbaren Energien: 2013 stieg die Stromerzeugung aus Wind und Sonne gegenüber dem Vorjahr um 45 Prozent, 2014 waren es nach den bisher verfügbaren Daten abermals gut 20 Prozent mehr. Geht diese Entwicklung ungebremst weiter, dürfte alleine die Windkraft im Land zum Ende des Jahrzehnts mehr Strom erzeugen als heute alle Atomkraftwerke zusammen.

BERNWARD JANZING