: Tausende Gewinner
EHRUNG Manuel Neuer muss bei der Weltfußballerwahl Ronaldo den Vortritt lassen. Ansonsten gehen die Preise an Deutsche. Eine Würdigung der DFB-Konzeptarbeit
Frauen2010 Marta (Brasilien)2011 Homare Sawa (Japan) 2012 Abby Wambach (USA) 2013 Nadine Angerer (Deutschland) 2014 Nadine Keßler (Deutschland)
Männer2010 Lionel Messi (Argentinien) 2011 Lionel Messi 2012 Lionel Messi 2013 Cristiano Ronaldo (Portugal) 2014 Cristiano Ronaldo
AUS ZÜRICH DANIEL THEWELEIT
Eingeklemmt unter dem Arm wie einen Trainingsball trug Joachim Löw seine Trophäe, als er am Montagabend die mondäne Ballon-d’Or-Gala des Fußballweltverbands Fifa verließ. Während der erneut zum Weltfußballer des Jahres gewählte Cristiano Ronaldo sich den Goldpokal auf dem Weg durch die Gänge des Züricher Kongresshauses feierlich hinterhertragen ließ, schien Löw nicht viel übrig zu haben für die glänzende Auszeichnung, die er nach der Wahl zum besten Trainer des Jahres 2014 erhalten hatte. Und dieser etwas achtlose Umgang mit der Skulptur war ein Akt voller Symbolkraft.
Denn der Bundestrainer ist im Gegensatz zu Ronaldo kein großer Freund von Preisen für Einzelpersonen im Mannschaftssport Fußball. „Bei uns gab es eben nicht den einen Spieler, der herausragte“, seine Elf sei im vorigen Sommer aufgrund einer „Mannschaftsleistung von vielen überragenden Spielern“ Weltmeister geworden, lautete seine Erklärung dafür, dass mit Manuel Neuer der bestplatzierte Weltmeister von Rio nur Dritter wurde. Hinter Ronaldo und hinter Lionel Messi.
Nicht erst seit diesem Votum wird das Wahlverfahren zum Weltfußballer des Jahres vor allen Dingen in Deutschland kritisch betrachtet. „Ich empfinde es als ungerecht“, sagte beispielsweise Franz Beckenbauer, „scheinbar zählen bei dieser Wahl Erfolge nicht, sondern mehr das Auftreten.“ Doch jenseits der Kür für den besten Spieler war die Veranstaltung zu einer eindrucksvollen Huldigung an die deutsche Fußballarbeit geworden. Löw wurde zum Trainer des Jahres gewählt, Nadine Kessler vom VfL Wolfsburg und ihr Coach Ralf Kellermann erhielten die Auszeichnungen für die beste Spielerin und den besten Trainer im Frauenfußball. Außerdem wurden mit Neuer, Toni Kroos und Philipp Lahm drei Deutsche in die Weltelf des Jahres berufen, mehr Spieler als aus jeder anderen Nation.
Diese Breite des Erfolgs spricht für die Arbeit des Verbands und der Vereine – von der Bundesliga bis hin zu den Jugendabteilungen vieler Dorfklubs. Und der Geist, der dahintersteht, wurde sichtbar, als Löw seine kleine Dankesrede vortrug. Er nehme die Auszeichnung „nur stellvertretend entgegen“, verkündete er, „denn nur derjenige erhält einen Preis, der die besten Voraussetzungen hat“. Diese Grundlagen habe er nur dank vieler Tausender Zuarbeiter vorgefunden, deshalb widmete er seinen persönlichen Titel „allen deutschen Trainern, die jeden Tag hervorragende Arbeit leisten, im Nachwuchsbereich, wie natürlich auch im Profibereich. Sie sind alle ein Stück weit Trainer des Jahres, denn ich bin nichts ohne gut ausgebildete Spieler.“
Wenn man so will, ist beim DFB das Konzept der Superstar. Schon im Vorjahr gewann mit Jupp Heynckes ein Deutscher den Titel als Trainer des Jahres, Jürgen Klopp landete unter den ersten drei, und die Ausbildung in Deutschland wird überall bewundert. Es scheint, als sei die deutsche Trainerarbeit derzeit weltweit führend, und das macht wunderbare Erfolge möglich. Auch vor diesem Hintergrund konnte Neuer den Gewinn des Ballon d’Or seinem Kollegen vom Real Madrid ohne jeden Groll überlassen: „Es steht den Wählern zu, ihre Wahl so zu treffen, wie sie möchten. Das ist ihr Recht, sie wollten Ronaldo, und damit hat er es auch verdient.“
Ronaldo sah das selbstverständlich ähnlich. Auch er formulierte ein paar Worte des Dankes, blies dann aber einen urtümlichen Siegesschrei in den Saal hinaus, bevor er das Ziel formulierte, Lionel Messi, der einmal öfter (viermal) Weltfußballer war, einzuholen. Es passt ganz gut zum vergangenen Jahr, dass Deutschland fast alles gewonnen hat, der Preis für den größten Fußballindividualisten des Planeten aber anderswo hingeht.
Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass bei der Weltfußballerwahl in WM-Jahren immer ein Spieler aus dem siegreichen Nationalteam gekürt wurde, mit den Ausnahmen 2010 und 2014. Diese Turniere wurden von Teams gewonnen, die ihre wichtigste Kraft über das Kollektiv entwickelten. Zudem gewannen beide ihre Titel ohne klassischen Stürmer, der ein Tor nach dem anderen erzielte. Und der Ballon d’Or, – hier schließt sich der Kreis – wird fast immer an genau diesen Spielertypus verliehen.