: Ärger über Urteil gegen Blockierer
Bundesweite Kritik an Strafen für Protest gegen Studiengebühren auf der Autobahn
MARBURG taz ■ Nach gut 100 Metern ist der erste Polizeiwagen eingekreist. Eine Ladung Seifenlauge klatscht an die Heckscheibe des Autos, direkt im Anschluss beginnen einige Studierende mit Reinigung und Politur.
Eine Woche ist es her, dass ein Richter im mittelhessischen Marburg drei Studierende wegen ihrer Teilnahme an einer Autobahnblockade zu Bewährungsstrafen bis zu sechs Monaten sowie jeweils 200 Sozialstunden in der Straßenmeisterei verurteilte. Am Dienstag demonstrierten die Verurteilten gemeinsam mit knapp 100 SympathisantInnen in der Marburger Innenstadt gegen das Urteil und putzten Verkehrsschilder, Straßen und Polizeiautos – in vorauseilendem Gehorsam und schwarz-weißer Sträflingskleidung.
Aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren hatten die ehemalige Asta-Vorsitzende Lena Behrendes sowie Philipp Ramezani und Max Fuhrmann am 11. Mai 2006 für eine Stunde mit rund 800 Studierenden die Marburger Stadtautobahn blockiert. Das in der vergangenen Woche ergangene Urteil des Amtsrichters Jürgen-Peter Taszis hat bundesweit bei Studierendenorganisationen, Gewerkschaften und Parteien für Empörung gesorgt. Schließlich hatten die Verurteilten während der Blockade mit der Polizei kooperiert und ihre KommilitonInnen zu einem Verlassen der Autobahn bewegen können.
Auch der Präsident der Marburger Universität, Volker Nienhaus, ein Befürworter von Studiengebühren, zeigte sich erstaunt: „Dass ausgerechnet die drei herausgegriffen wurden, die versucht haben, Konfrontationen zu vermeiden, ist schon etwas irritierend.“ Vertreter von Studierendenorganisationen übten heftige Kritik am Urteil. Die amtierende Marburger AsTa-Vorsitzende Susanne Schmelter zeigte sich „entsetzt“, der Sprecher der Konferenz sächsischer Studierendenschaften, Gerald Eisenblätter, kritisierte das „willkürliche Urteil und den Versuch, Studiengebührengegner zu kriminalisieren“.
Fünf Wochen hat der Amtsrichter Taszis nach dem Urteil Zeit für seine schriftliche Urteilsbegründung. Philipp Ramezani kündigte bereits an, das Urteil anzufechten. Die Bunte Hilfe hat ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft indes einen Rechtshilfefonds eingerichtet.
Lediglich die hessische CDU verteidigte das Vorgehen des Richters. Für die Landtagsabgeordnete Birgit Zeimertz-Lorz steht fest, dass „Straftaten Straftaten bleiben und geahndet werden müssen“. TIEMO RINK