„Aus Klienten werden Kunden“

Das persönliche Budget lockt: „Behinderten“ könnte damit deutlich mehr Selbstbestimmung ermöglicht werden

Der große Vortragssaal auf dem Gelände des „Martinshof“ ist gerammelt voll: Viele hundert Menschen sind gekommen, um sich von Hans-Joachim Steinbrück, dem Bremer Behindertenbeauftragten, über das „Persönliche Budget“ informieren zu lassen. Das Schlagwort verheißt Selbstbestimmung, autonomen Umgang mit Geld, Unabhängigkeit von fremdbestimmter Fürsorglichkeit. Steinbrück muss zahlreiche detaillierte Fragen beantworten – da soll noch jemand behaupten, „behinderten“ Menschen fehlten die intellektuellen Voraussetzungen für ein Leben jenseits der Heime.

Bremen ist keineswegs Vorreiter in Sachen „persönliches Budget“. In Modellregionen in acht Bundesländern wird das Verfahren bereits erfolgreich erprobt: Statt Sach- und Dienstleistungen erhalten behinderte Menschen Bargeld. Die Summe – in der Regel zwischen 200 und 800 Euro monatlich – setzt sich aus den Kosten zusammen, die Krankenkassen, Sozialhilfeträger oder die Arbeitsagentur bislang für die Versorgung der Betroffenen aufbringen. Diese können dann selbst planen und bezahlen: Assistenzen, Kinokarten, bis hin zu Wohnraum. „Aus Klienten werden Kunden“, sagt Steinbrück optimistisch.

Karin Evers-Meyer (SPD), die gestern eigens nach Bremen gereiste Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, spricht gar von einem „Paradigmenwechsel in der deutschen Behindertenpolitik“.

Zunächst stehen aber konkrete Fragen im Raum. „Wird das Budget weiter gezahlt, wenn man ins Krankenhaus muss?“ fragt ein älterer Mann. „Und was passiert, wenn man versehentlich zu viel ausgegeben hat“, will eine Rollstuhlfahrerin wissen. „Das Budget bedeutet persönliche Verantwortung“, antwortet Steinbrück. Im Übrigen könne auch die „Zielvereinbarung“ helfen, die jeder mit einem persönlichen Budgetberater schließt. Der koordiniert auch die Beteiligung der diversen Kostenträger und errechnet den monatlichen Gesamtanspruch.

Mit Beginn des kommenden Jahres besteht Rechtsanspruch auf Zuteilung eines persönlichen Budgets, auch Eltern können es für ihre Kinder beantragen. Die Interessenvertretung „Selbst Bestimmt Leben Bremen“ will jeweils im Einzelfall entscheiden, ob sie zum Stellen eines entsprechenden Antrags rät. „Wir sind nicht übermäßig euphorisch, beurteilen die Budget-Idee aber grundsätzlich positiv“, sagt Berater Wilhelm Winkelmeier. Allerdings sei neben einer Qualitätssteigerung auch ein -verlust möglich, etwa durch schwarz eingekaufte Dienstleistungen. Insofern müsse über eine begleitende Qualitätskontrolle nachgedacht werden. HB

Weitere Informationen: www.projekt-persoenliches-Budget.de