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Archiv-Artikel

berliner szenen Plappernde Wolken

Zieh mit uns

Wenn Wolken denken könnten und schreien – was würden wir auf der Erde hören?

Ein sattes Grunzen, wenn die weißen Gebilde wie Gebirge mächtig am Himmel stehen. Ein zartes Wimmern, wenn der Wind helle Schlieren vor sich her treibt, die in der Sonne zu nichts zerfallen. Gelegentlich auch wohl ein Kichern, manchmal sogar ein vielstimmiges Lachen, wenn sich Wolken zu Kinderzeichnungen verformen, ein Hasenohr aus einer Ecke wächst, eine Haifischflosse sich plötzlich in einen Elefantenrüssel wandelt. Ein wütendes Grollen natürlich (das man vor Gewittern tatsächlich manchmal hört), wenn schwarze Wolkenwände sich aufbauen und näher kommen. Wolken, die Kino gesehen haben, intonieren möglicherweise den Walkürenritt; die Hubschrauberszene aus „Apocalypse Now“ würde ihnen vermutlich gefallen. Etwas Fröhliches könnten Wolken summen, die hurtig am Wind segeln. Eine geschlossene Wolkendecke, aus der es nicht regnet, könnte dieses Om-Gesumme des Buddhismus übernehmen. Eine Wolkendecke, aus der es regnet, könnte erleichtert seufzen oder zur Entschuldigung einen vielstimmigen Chorgesang ausprobieren. Jammern könnten Wolken, die auseinandergetrieben werden. Kreischen könnten Wolken, die kurz vor einem Zusammenstoß stehen. Jubeln könnten Wolken sowieso.

Und vielleicht hörte man dann und wann, wenn der Himmel weit ist und das Weiß der Wolken satt, auch ein Rufen. Ein „Komm in die Höhe und zieh mit uns!“. Auf jeden Fall würde das Leben auf der Erde wahrscheinlich ganz anders sein, als es heute ist. Und die nächste Frage wäre, ob man wolkenlose, blaue Himmel lieben oder fürchten würde. Wenn dort oben endlich mal Ruhe ist. DIRK KNIPPHALS