Somalias Islamisten unter sich

In Eritrea beginnt eine alternative Versöhnungskonferenz für Somalia. Mit dabei ist auch der mutmaßliche Al-Qaida-Terrorist Hassan Dahir Aweys. Die Konferenz ist eine Kampfansage an Äthiopien, dessen Truppen Somalias Übergangsregierung stützen

VON MARC ENGELHARDT

Die Überraschung war den Gegnern von Somalias Übergangsregierung gut gelungen: Als zum Auftakt einer alternativen Versöhnungskonferenz für Somalia in Eritreas Hauptstadt Asmara Koranverse aufgesagt wurden, waren die Augen auf einen einzigen Mann in der ersten Reihe gerichtet: ungewohnt im grauen Anzug, aber mit seiner Brille und dem hennagefärbten Bart unverkennbar. Hassan Dahir Aweys, Scharfmacher der Ende Dezember aus Mogadischu verjagten „Union islamischer Gerichtshöfe“ und wegen seiner angeblichen Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk weltweit gesuchter Terrorist, war nach neun Monaten im Untergrund auf einmal wieder da. Auch ohne dass Aweys einen Redebeitrag lieferte, war die Botschaft klar: eine Kampfansage an die von der äthiopischen Armee gestützte, international anerkannte Übergangsregierung Somalias.

Die hatte eine Woche zuvor ihre eigene Versöhnungskonferenz in Mogadischu beendet, ein vom Westen finanziertes Millionengrab ohne konkrete Ergebnisse. Die Kritiker von Premier Ali Mohammed Ghedi und seinem Kabinett waren zu dem sieben Wochen währenden Kongress nicht erschienen. Die im Exil in Eritrea sitzenden Funktionäre der Islamischen Gerichtshöfe und der ihnen nahe stehende Hawiye-Clan lehnen alle Verhandlungen ab, solange Äthiopiens Armee in Somalia stationiert ist. Deren Abzug kann sich die Übergangsregierung jedoch nicht leisten: Die Regierungstruppen sind schwach, und von den von der Afrikanischen Union versprochenen 8.000 Soldaten ist bis heute nicht einmal ein Viertel in Mogadischu angekommen. Nachschub ist nicht in Sicht. Um sich an der Macht zu halten, ist die Übergangsregierung auf die äthiopischen Truppen angewiesen. Fast täglich verüben Regierungsgegner neue Angriffe oder Bombenanschläge.

Bei ihrer eigenen Versöhnungskonferenz stilisierten sich die Islamisten jedoch zuallererst als Opfer, nicht als Täter. „Uns sind viele falsche Dinge unterstellt worden, einzig um ein halbfertiges Projekt zu Ende zu bringen: die Invasion Somalias“, erklärte Scheich Sharif Ahmed, der vergleichsweise gemäßigte Exsprecher des somalischen Parlaments. Er wandte sich direkt an die Bush-Regierung: „Wir fordern die USA auf, eine positivere Rolle im Somalia-Konflikt zu spielen. Die bisherige Somalia-Politik war ausschließlich auf Konfrontation ausgerichtet.“ Die für Somalia zuständige US-Botschaft in Nairobi wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

Für die USA ist die unerwartete Wiederkehr von Hassan Dahir Aweys peinlich genug. Monatelang hatten äthiopische Truppen im unwegsamen Süden Somalias nach ihm gesucht, angeblich waren zeitweise selbst US-amerikanische Spezialeinheiten beteiligt. Doch Aweys blieb wie vom Boden verschluckt.

Der 72-Jährige ist ein Stück somalischer Geschichte: 1977 wurde er für Verdienste im Ogaden-Krieg gegen Äthiopien von Diktator Siad Barre persönlich mit einer Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Nach dessen Flucht 1991 baute Aweys al-Ittihad al-Islami auf, eine radikalislamistische Miliz. Während Aweys selbst jede Verbindung zu al-Qaida abstreitet, wird er von den USA als einer der Hintermänner der Attentate vom 11. September 2001 gesucht. Die UN werfen ihm zudem vor, Waffen von Eritrea nach Somalia gebracht und Ausbildungscamps für Terroristen aufgebaut zu haben.

Dass Aweys jetzt in Eritrea hofiert wird, ist eine Provokation vor allem für Erzfeind Äthiopien. Schon fürchten Diplomaten dass einem Stellvertreterkrieg in Somalia ein neuer Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea folgen könnte.