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Archiv-Artikel

Echtes Zeugnis nur für Nicht-Behinderte

Bildungsbehörde weist Schulen mit Integrationsklassen an, den nicht-behinderten Kindern Ziffernnoten zu geben. Damit wird ein Beschluss der CDU-Bürgerschaftsmehrheit umgesetzt. Eltern sehen Ausgrenzung behinderter Kinder

Schulnoten sind in Hamburg weiter auf dem Vormarsch: Die 48 Grundschulen, die in Integrationsklassen körperlich und geistig behinderte mit nicht-behinderten Kindern zusammenlernen lassen, wurden jetzt von der Bildungsbehörde angewiesen, Noten zu geben. „Wir vollziehen damit nur, was die Bürgerschaft im Mai 2006 beschlossen hat“, sagt Sprecher Alexander Luckow. Bislang erhielten alle Kinder dort nur Lernberichte.

„Es war Wille der CDU-Fraktion, dass diese Ausnahme nur noch für die betreffenden Schüler, aber nicht mehr für ganze Klassen gilt“, sagt Luckow. Die Änderung in Paragraf 44 des Schulgesetzes werde erst jetzt vollzogen, weil die Vorlaufzeit für das Schuljahr 2006/2007 zu knapp war. Weiter frei in der Notengebung sind die immer noch als Schulversuch laufenden „Integrativen Regelklassen“ (IR), die Kinder mit Lernproblemen integrieren.

Aus Sicht des Verbands „Leben mit Behinderungen“ geschieht hier ein massiver Eingriff: „Das stört und zerstört das Konzept der integrierten Klasse bis ins Mark“, sagt Sprecher Martin Eckert. Eine Schulleiterin formuliert es so: „Integration heißt: Ich nehme Kinder mit rein. Wenn es unter den Kindern heißt, ,ich hab ein echtes Zeugnis und du nicht‘, werden sie rausgedrängt.“ Eckert vermutet, dass die Abgeordneten nicht wussten, was sie taten.

Zumindest für die Fachpolitiker in der CDU liegt er falsch: „Wir wollten, dass alle Kinder Notenzeugnisse bekommen. Ich stehe dazu“, sagt der Schulpolitiker Robert Heinemann. „Auch ein Kind im Rollstuhl kann Noten bekommen.“ Künftig solle es nur noch im Einzelfall Ausnahmen für die Behinderten geben, beispielsweise für Sport. Die Gesetzesänderung sei im Paket mit einer ganzen Reihe von Änderungen beschlossen worden.

Der SPD-Schulpolitiker Wilfried Bus wirft CDU-Schulsenatorin Dinges-Dierig nun vor, sie untergrabe den Integrationsgedanken. Und GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch spricht von „Notenfetischismus der CDU“ und „Schlamperei“ . So habe die Behörde die Schulen zunächst mit dem Versprechen einer Ausnahmeverordnung für I-Klassen beruhigt, die „schlichtweg vergessen“ worden sei. Eine solche Verordnung, kontert Heinemann, sei „rechtlich nicht mehr zulässig“. KAIJA KUTTER