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Archiv-Artikel

Licht- und Schattengestalt

Der Mann ist 33, in einem Alter, in dem Fußballprofis die Schatten- und Sonnenseiten des Geschäfts in der Regel kennengelernt haben. Das gilt besonders für einen wie Marius Ebbers, beim Zweitligisten FC St. Pauli fürs Toreschießen verantwortlich, und als janusköpfige Gestalt bekannt: Der Stürmer, der gern im Westen kickte, bevor er 2008 am Millerntor anheuerte, traf in seinen Zweitligajahren fast nach Belieben – insgesamt 92-mal – während er in seinen Bundesligaspielen für Duisburg, Köln, Aachen und den FC St. Pauli vor dem Tor meist kläglich versagte.

Im August kugelte er sich im Spiel gegen Aachen den Ellenbogen aus, sodass er wochenlang gar nicht und seit Mitte September nur mit Spezialschiene auflaufen konnte, und seitdem trifft er – trotz merklicher Bewegungseinschränkung – in jedem Spiel. Zuletzt am Freitag gegen Erzgebirge Aue, als er bereits seine erste Torgelegenheit nach 20 Minuten formvollendet zum Führungstreffer abschloss.

Doch in der zweiten Halbzeit zeigte nicht nur das Hamburger Team deutliche Schwächen, sondern auch Ebbers sein zweites Gesicht, als er eine Viertelstunde vor Schluss völlig freistehend die Chance zum 2:2-Ausgleich vergab. „Wenn Ebbe da ein Tor gelänge, könnte das Spiel noch mal kippen“, ärgerte sich Trainer André Schubert, doch da der Konjunktiv der Modus der Verlierer ist, kippte da gar nichts mehr und die Hamburger bekamen schließlich mit 2:3 Haue von Aue.

So war Ebbers’ Leistung an diesem Abend durchwachsen, sein Tor nutzlos und die Stimmung am Millerntor aufgrund der ersten Heimniederlage verhagelt.

Hätte Ebbers dagegen getroffen, wäre das Spiel doch noch gekippt, dann hätte – so könnte man gewagt weiter den Konjunktiv bemühen – vielleicht nicht noch ein gefrusteter Fan einen leeren Bierbecher kurz nach Spielschluss auf den Schiedsrichter geworfen. So aber ging der Schuss daneben, während der Becher traf – und da bereits vergangenen April am Millerntor ein Bierbecher im Nacken eines Schiedsrichter-Assistenten gelandet war, droht dem Verein „als Wiederholungstäter“ nun als Strafe ein Geisterspiel vor leerer Kulisse. Das wäre selbst für Ebbers nach über 13 Jahren im Profifußball noch eine neue Schatten-Erfahrung. MARCO CARINI