: Fans fühlen sich übergangen
Die FanvertreterInnen des FC St. Pauli ziehen sich aus der Lenkungsgruppe zum Neubau des Millerntorstadions zurück. Sie hätten nicht das versprochene Mitsprache- und Entscheidungsrecht. Der Verein signalisiert Gesprächsbereitschaft
Die Fans des FC St. Pauli sind als besonders leidensfähig bekannt. Trotz sportlicher Aufs und Abs, finanzieller Durststrecken und zuletzt Grabenkämpfen zwischen Präsidium und Aufsichtsrat halten sie zu ihrem Verein. Und der zahlt es ihnen zurück: bei kaum einem anderen Fußballclub werden die Belange der Anhänger so sehr gehört wie beim FC St. Pauli. Auch bei den Planungen für den Neubau des Millerntorstadions konnten die Fans ihre Meinung kundtun und sie – wie im Falle der Stehplatzfrage – auch durchsetzen.
Ebenso sollten die Fans in der operativen Phase des Projektes, sprich: dem eigentlichen Bau, mitreden können. Auf Vorschlag des Präsidiums und des Aufsichtsrates wurde die so genannte „Lenkungsgruppe“ eingerichtet, in der auch die Anhänger vertreten sind. „Die Lenkungsgruppe trifft die Grundsatzentscheidungen und überwacht die Arbeit der Projektgruppe“, lautete der Beschluss.
So weit die Theorie. Ein Jahr und zehn Gruppentreffen später resümieren die FanvertreterInnen in einer Erklärung mit dem Titel „Fanfreundliche Neukonstruktion des Millerntor-Stadions nicht gewünscht?!“, dass ihre Einbindung in den Bauprozess gescheitert sei. „Die Lenkungsgruppe wurde in nahezu keine der anfallenden Grundsatzentscheidungen eingebunden, eine Überwachung der Arbeit der Projektgruppe konnte nicht stattfinden“, heißt es in der Erklärung, die vom Fanladen St. Pauli, dem Sprecherrat der Fanclubs und Ultrà Sankt Pauli unterzeichnet ist.
Die FanvertreterInnen ziehen sich darum mit sofortiger Wirkung aus der Lenkungsgruppe zurück. Selbst bei kleineren Entscheidungen, wie etwa Farbwahl und Anordnung der Sitze auf der Südtribüne, hätten sie nicht mitentscheiden dürfen. Auch seien bereits gefällte Entscheidungen „aus Kostengründen“ gekippt worden. Obwohl sie regelmäßig versucht hätten, das versprochene Mitsprache- und Entscheidungsrecht geltend zu machen, sei es bei den Verantwortlichen zu keinem Umdenken gekommen.
Besonders enttäuscht sind die FanvertreterInnen davon, dass sowohl das Präsidium des Clubs als auch Projektleiter Claus Binz nur an einem Bruchteil der Sitzungen teilgenommen hätten. Sie fühlen sich daher „nicht ernst genommen“. Die Lenkungsgruppe erwecke „unter diesen Umständen vielmehr den Anschein, ein Feigenblatt zu sein“. Die FanvertreterInnen wollten aber nicht für Entscheidungen mitverantwortlich gemacht werden, die sie nicht mitgestalten könnten.
Von Seiten des Präsidiums zeigt man sich gesprächsbereit. Er wisse um die Irritationen, sagt Christian Bönig, Pressesprecher des FC St. Pauli. „Da wird es diese Woche noch einen runden Tisch geben.“ Man wolle erst einmal klären, was genau vorgefallen ist. Die FanvertreterInnen fordern derweil regelmäßige Infoabende, die nicht einem kleinen Kreis vorbehalten sind. „Sie sollten offen für alle interessierten Mitglieder und Fans sein.“
Pressesprecher Bönig findet, das sei eine „denkbare Variante“. Denn ohne Fans geht nichts auf St. Pauli. BENJAMIN GEHRS