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Archiv-Artikel

205.000 Enten müssen sterben

Angst vor der Vogelgrippe: In zwei Entenmastbetrieben in der Oberpfalz wird das Virus H5N1 nachgewiesen. Alle Tiere werden vorsorglich mit Strom getötet. „Apokalyptisch“ finden Umweltschützer diese größte Notschlachtung der Bundesrepublik

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Bei der bislang größten Massentötung von Zuchttieren in Deutschland werden seit Samstag in den oberpfälzischen Orten Hofing und Trumling 205.000 Enten getötet. In tiefgefrorenem Geflügel von zwei Höfen im Landkreis Schwandorf war das auch für den Menschen gefährliche Vogelgrippevirus H5N1 gefunden worden. Die beiden Mastbetriebe sind Tochterunternehmen des mittelfränkischen Unternehmens Wichmann. Dort war bereits Ende August die Geflügelpest entdeckt worden, 160.000 Enten wurden damals getötet.

In großen Schleusen, errichtet vom Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr, werden jetzt alle Menschen und Transporter desinfiziert, die die beiden aktuell betroffenen Unternehmen verlassen. Die Tötungsanlage konnte zunächst nicht in Betrieb genommen werden, weil sich die Stromleitungen als zu marode erwiesen. Erst ein Generator des Technischen Hilfswerks brachte die Anlage zum Laufen, in der die Tiere per Elektroschock umgebracht werden.

Die Enten werden dabei mit den Füßen nach oben in das Gestänge der Anlage eingehängt, bis zu 3.000 Tiere in der Stunde. Dann werden sie mit den Köpfen durch ein unter Strom stehendes Wasserbecken gezogen und so getötet. Knapp 50 Personen waren am Wochenende dafür im Einsatz.

Das Landratsamt Schwandorf geht davon aus, dass mindestens 60 Arbeitsstunden nötig sind, um alle Tiere umzubringen. Die Stückzahlen sollten am Sonntag mittels weiterer Tötungsanlagen aus Niedersachsen erhöht werden. „Das Ministerium wollte, dass wir bis Montagabend fertig sind“, erklärte der Sprecher der Kreisbehörde, Franz Pfeffer. Das sei mit dem Personal aber nicht zu schaffen, die Aktion werde sich voraussichtlich fünf bis sechs Tage hinziehen. In normalen Zeiten werden die Enten sechs Wochen lang gemästet, ehe sie gefangen und zum Schlachter gebracht werden.

Der Bund Naturschutz Bayern hält die Notschlachtung für „apokalyptisch“. Sie zeige, wie verantwortungslos in einem christlich-sozial regierten Land mit Mitgeschöpfen umgegangen wird, so der Bund-Vorsitzende Hubert Weiger. Zugleich kritisierte der Bund auch, dass sich die Suche nach dem Übertragungsweg beinahe ausschließlich auf Wildvögel fokussiere. Dabei habe sich der H5N1-Erreger durch weltweit gehandelte Bruteier, Gülle oder Futtermittel ausgebreitet. Die Flugrouten der Vögel stimmten nicht mit den Ausbreitungswegen der Seuche überein. Auf Anfrage der taz bestätigte das Bundesumweltministerium gestern, dass bei den aktuellen Fällen in Bayern eine Übertragung durch Wildvögel „relativ sicher“ ausgeschlossen werden könne. Wie das H5N1-Virus in die Ställe gekommen ist, sei aber noch unklar.

Der Bund Naturschutz Bayern wies am Wochenende darauf hin, dass „die Massentierhaltung der Familie Wichmann“ in der Vergangenheit schon öfter zu Kritik geführt habe. Zwischen 1986 und 1993 sei das Unternehmen durch „bedenkliche Tiertransporte“ aufgefallen. Im Jahr 2001 bestätigte das Landgericht Nürnberg, dass der Bund Naturschutz die „gepro-Geflügelproduktion“, den Vorläuferbetrieb der jetzt betroffenen Firma, eine „tierquälerische Massentierhaltung“ nennen durfte. Und 1998 starben nach Angaben des Bund zwei Mitarbeiter der Geflügelschlachterei Wichmann an der Papageienkrankheit.

Die Vogelgrippe ist bislang vor allem eine Tierseuche. Sie wird nur selten auf Menschen übertragen. Doch befürchten Gesundheitsexperten eine Mutation des Erregers, die eine Infektion von Mensch zu Mensch möglich machen könnte.