: Wenig im Eimer
NACHHALTIGKEIT Ein Neuköllner Restaurant verbindet kulinarische Qualität mit Effizienz und Sparsamkeit. Kurze Wege und Mehrweg ergänzen sich dabei mit Antiquarischem
VON MICHAEL PÖPPL
Stolz zeigt Tiberio Scozzafava-Jäger den Biomüllkübel aus der Küche: Ein weißer Emaille-Eimer, wie man ihn vom Flohmarkt kennt: „Ein bis eineinhalb davon, das ist der ganze Müll, den unser Lokal am Tag produziert“, sagt der Landschaftsplaner und Botaniker, der in seinem Neuköllner Lokal „Ein Laden“ intensiv auf Nachhaltigkeit achtet. Zusammen mit dem Künstler Zigan, seinem Kompagnon, hat er es vor gut eineinhalb Jahren in der Weserstraße 208 eröffnet. Viele Einrichtungsgegenstände wie den Holztresen oder die Regale haben sie selbst gezimmert, die Möbel stammen aus Trödelläden, auch das Kaffeegeschirr mit Goldrand kommt vom Flohmarkt: „Vermutlich das gute Service von Oma, das im Schrank verstaubt ist“, sagt Tiberio.
Die Mischung aus Restaurant, Bar und Café ist gemütlich und hebt sich angenehm von den vielen hippen Lokalen im Reuterkiez ab. „Eigentlich ist das eine Cicchetteria, so wie man sie aus Venedig kennt“, sagt der italienischstämmige Wirt, der im Hauptberuf ein Planungsbüro leitet. Cicchetti, so nenne man die typischen Vorspeisen, die man in seiner Heimatstadt zum Wein oder Bier isst, wenn man abends von Bar zu Bar zieht. So kommt man hier auch ins Gespräch: Die Gäste kommen direkt an die Theke und suchen sich dann eingelegte Gemüse, Oliven, gefüllte Pasteten, Schinken oder Käse aus. Das Reden übers Essen und die ausgesuchten Zutaten gehören zum bewusst kommunikativen Konzept der beiden Wirte.
Müllvermeidung sei auch in der Gastronomie einfach, erzählt der 45-jährige Tiberio, der vor allem nachhaltige Umwelt- und Landschaftsprojekte plant und durchführt. Glasmüll gebe es keinen, weil Getränke wie die Fruchtsäfte von einer Biomosterei aus Bernau in Pfandflaschen geliefert werden. Den Wein zapft man vom Glasballon an der Theke in die Karaffe, das Leitungswasser wird ebenfalls in der Karaffe auf den Tisch gestellt, kostenlos. Die großen 54-Liter-Behälter mit dem Roten und Weißen kommen, ebenso wie der Pecorino, aus dem Frascati-Gebiet, nur drei- bis viermal im Jahr wird geliefert, um häufige Verkehrswege zu vermeiden und Energie zu sparen. Manches bringt Tiberio selbst nach Berlin mit, wenn er geschäftlich in Italien unterwegs ist. Wie das feine Öl und die Itrana-Oliven, die in Mehrwegkanistern in der Speisekammer stehen. Sie stammen von einem befreundeten Bauern aus dem Latium, südlich von Rom. Fast alle Winzer oder Obstbauern sind Freunde oder gute Bekannte, ebenso die Brandenburger Gärtner oder der Berliner Fleischer, die den „Laden“ beliefern, alle arbeiten biologisch und nachhaltig. Vor allem ist Tiberio aber der gute Geschmack wichtig: „Sämtliche Produkte, die wir verarbeiten, hätte ich auch persönlich in meiner Vorratskammer, da bin ich ziemlich anspruchsvoll.“
Die Gäste wissen die Qualität zu schätzen, der „Laden“ hat sehr viele Stammkunden. Die Preise sind niedriger als in den meist schicken Cafés in der angesagten Gegend. Das Tagesgericht kostet rund 7 Euro, der kleine Teller mit den Vorspeisen 3,50 Euro, ein kleines Glas Wein unter 2 Euro. Zubereitet wird das Essen stets frisch in der gut einsehbaren Küche, hinter Glas – diese sichtbare Offenheit sehen die beiden Wirte ebenfalls als nachhaltiges Prinzip. Man soll sehen, wie gekocht wird, wer fürs Essen verantwortlich ist. „Und derjenige soll auch sehen, für wen er kocht“, so Zigan, der oft selbst hinter dem Herd steht. Die Speisen werden vor allem aus regionalen und saisonalen Produkten zubereitet, das Gemüse kommt in wieder verwendbaren Kisten von drei Biobetrieben aus Brandenburg, die auch auf Berliner Wochenmärkten verkaufen. Oft landen seltenere Gemüsesorten wie Mangold, Portulak oder wilder Rucola in den Vorspeisen oder der Pasta. Den Rucola sammelt Tiberio selber: „Der wächst bei den vielen Kleingärten in der Nähe.“
Einziger Wermutstropfen im nachhaltigen Konzept: Die langen Anfahrtswege für Produkte aus Italien. Aber bis es vernünftige Winzer und Olivenbauern im nahen Brandenburg gibt, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.