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Archiv-Artikel

Je suis Pariser Platz

STADT DER VIELFALT

Soll man an diesem Ort einfach so wieder zur Tagesordnung übergehen?

Es ist nicht so, dass die Welt den Pariser Platz nicht kennen würde. In den Reiseführern wird mitnichten verschwiegen, dass der Platz am Brandenburger Tor (Wahrzeichen Berlins!) nach der französischen Hauptstadt benannt ist – und das übrigens nicht, weil dort auch die französische Botschaft steht. Nur sind die Bilder, die in der Vergangenheit von Tor und Platz um die Welt gingen, Bilder des Events und des Kommerzes.

Zum Pariser Platz gehört bei Welt- und Europameisterschaften die Fanmeile, die Hanfparade zieht dorthin und auch das „Coke Festival of Happyness“. Weg mussten dagegen die türkischen Fellmützenhändler, weil sich der Straßenhandel nicht mit der „guten Stube Berlins“ (Exsenatsbaudirektor Stimmann) verträgt.

Seit dieser Woche aber hat sich der Pariser Platz von einer ganz anderen Seite gezeigt. Schon am Sonntag kamen dort 18.000 Menschen zusammen, um zeitgleich zur großen Demonstration in Paris der Opfer des Anschlags auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher zu gedenken. Die zum Rummelplatz umfunktionierte „gute Stube“ wurde plötzlich zum Ort der Anteilnahme und des Schweigens.

Einen Tag später, am Montag, stand der Pariser Platz dann – zum zweiten Mal – im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen den Bärgida-Deppen und knapp 5.000 Gegendemonstranten. Etwa 1:10 lautete das Verhältnis, die Beleuchtung blieb diesmal an.

Schließlich der Dienstag. Kurz vor 18 Uhr klangen Gesänge der fünften Sure des Koran über den Platz. 10.000 waren einem Aufruf des Zentralrats der Muslime gefolgt, um für ein Miteinander der Religionen und Kulturen einzustehen. Politiker und Religionsvertreter hakten sich am Ende unter – ein Bild, das es bis dahin weder in Berlin noch in Deutschland gegeben hat. Ein Bild des Pariser Platzes.

Vielleicht sollte man diese Ereignisse zum Anlass nehmen, um einen Moment innezuhalten – und darüber nachzudenken, ob man an diesem Platz der Stadt einfach wieder so zur Tagesordnung übergehen kann.

UWE RADA