ortstermin: eröffnung der ersten theatergalerie deutschlands : Superlative mit Armin Mueller-Stahl
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen SchreiberInnen der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Nachher gibt es Sekt und Orangensaft und Selters, und als Häppchen fungieren Teigtaschen, deren Füllung in die Kategorie „schwer zu sagen“ fällt: Wäre es Schmelzkäse? Ungewiss. Es ist also das klassische Stehrumchen, nur dass am Anfang, also im Programmteil, wo künstlerische Darbietung und Reden und so weiter ausgetragen werden, die den Anlass des Rumstehens teils schmücken, teils erläutern, gesessen wird. Was da so sitzt darf vermutlich als Haute Volée Bremens gelten, man erkennt Museumsdirektoren und Handelskammerhonoratioren, die Absenz politischer Akteure überrascht, und der Herr Matussek vom Spiegel, der spricht, ist nicht der Stargast. Das ist Armin Mueller-Stahl.
Mueller-Stahl ist bekannt als Schauspieler. Er ist der glorreiche Schauspieler schlechthin, also für mich, aber das ist kein Bekenntnis, zu dem man viel Mut braucht, wahrscheinlich ist das ein mehrheitsfähiges Bekenntnis: Auch ich gehöre zu den Menschen, die dahinschmelzen, sobald der Name Jim Jarmusch fällt und der Filmtitel „Night On Earth“ erwähnt wird. Und selbstverständlich denke ich dabei an Armin Mueller-Stahl in der Rolle des in New York gestrandeten Taxifahrers Helmut, der diese dusselige Mütze aufhat, sich eine rote Nase aufsetzt, um seinem Fahrgast zu verdeutlichen, dass er als Clown gearbeitet hat, früher, und schließlich Schalmei bläst. Musik machen kann Mueller-Stahl auch, aber heute ist er als Maler und Grafiker in Bremen. Und das Ereignis ist eine Vernissage. Das Besondere ist, dass sie im Theater-Foyer stattfindet, das Bremer Theater hat gerade einen neuen Intendanten bekommen und Hans-Joachim Frey – so heißt der Intendant – verfolgt das Ziel „der Vernetzung des Theaters mit anderen Kulturformen im städtischen Raum“ – der redet wirklich so – und deswegen will er das Haus auch als „internationales Kulturforum“ verstanden wissen. In einem Kulturforum ist auch Platz für eine Galerie, und weil Superlative immer gut kommen, marketingtechnisch, verkündet man, dass es die erste deutsche Theater-Galerie überhaupt sei, die man gerade mit der Armin Mueller-Stahl-Ausstellung eröffnet. Die Kunstwerke sollen dort nicht nur ausgestellt, sondern auch „promotet und verkauft werden“, erfährt man, wobei man sich fragen kann, ob nicht auch das für einen Superlativ taugen würde: Der Besuch des Foyers kostet unter der Woche künftig Eintritt, drei Euro, und damit scheint Deutschlands erste Theater- auch die welterste Verkaufs-Galerie zu sein, in die man nur gegen Geld Einlass findet.
Spiegel-Matussek schludert eine Laudatio, bei der von Doppel- und Mehrfachbegabungen die Rede ist, das könne, sagt er, auch schief gehen, er erwähnt Tony Curtis, und dass dessen Bilder den Schauspieler vom Alkoholismus therapiert hätten. Bei Mueller-Stahl, sagt er, verhalte sich das anders. Das soll wohl heißen: Mueller-Stahl kann malen, dann zumindest würde es stimmen und keine Unverschämtheit sein. Die Sachen sind so neo-expressionistische Acryl-Porträts von Kulturgrößen, Nietzsche und Joe Cocker, und es gibt Arbeiten, die durch die Titel als Reflexionen der Schauspielerei kenntlich sind: Grafiken zum Urfaust. Und Grafiken zu „Night On Earth“, und da ist es ja so, dass man nur den Titel hören muss, und den Namen Mueller-Stahl – und man schmilzt dahin.Ich würde auch eine Schalmei-CD bespielt von Mueller-Stahl in Ehren halten. „Wo steht denn geschrieben“, fragt der glorreiche Schauspieler, „dass man nur eine Sache machen darf?“ Ja, wo? Man hätte das als rhetorische Frage gewertet, aber er beantwortet sie dann doch: „Höchstens in deutschen Gesetzbüchern.“ bes