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Archiv-Artikel

Bauprojekt Bühne

THEATERFESTIVAL Zum dritten Mal findet bis Mitte November das Hamburger Theaterfestival statt. Zu sehen sind sieben herausragende Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zum Auftakt gibt es am Samstag wütende Wucht von Jelinek

Dass das Festival nur auf bewährte Gastspiele setzt, hat ihm Kritik eingebracht

VON ROBERT MATTHIES

Es beginnt mit einer „Herausforderung der Natur an die Technik, sich über sie zu setzen“ und endet in der maßlosen Katastrophe. Es beginnt mit Mineralwasserflaschen auf den Tischen, Männer in weißen Hemden und Frauen in schwarzen Gewändern befüllen Plastikbecher, nach drei Stunden steht die ganze Bühne unter schlammigem Wasser, das aus einem Grab-gleichen Loch emporquillt.

Es ist ein fulminanter Auftakt, mit dem am Sonntag das dritte Hamburger Theaterfestival beginnt. Drei wütende und sprachmächtig-wuchtige Stücke Elfriede Jelineks über Gewalt und Natur, über grandios gescheiterte Bauprojekte und die Vision der Herrschaft des Menschen über die Physis – und den Menschen – hat Karin Beier am Schauspiel Köln, im letzten Jahr unter ihrer Intendanz als „Theater des Jahres“ ausgezeichnet, im vergangenen Herbst inszeniert: „Das Werk“ erzählt vom Bau eines gigantischen Speicherkraftwerks in den Kapruner Alpen, der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen im Namen des Fortschritts und vom Tod von mindestens 160 Zwangsarbeitern in den 1940er Jahren. Als Brücke fungiert die kurze Passage „Im Bus“ über den tödlichen Sturz eines Busses in einen Krater während des U-Bahn-Baus in München. Der eigens für die Inszenierung geschriebene Abschluss „Der Sturz“ schließlich handelt vom Einsturz des Kölner Historischen Archivs vor zwei Jahren, dem zwei Menschen und milliardenschwere Urkunden, Akten, Nachlässe und Sammlungsbestände zum Opfer fielen. Zweimal ist das umjubelte Stück, das auch zum diesjährigen Theatertreffen in Berlin eingeladen worden ist, im Deutschen Schauspielhaus zu sehen – dessen Leitung Karin Beier in der Spielzeit 2013/14 übernehmen wird.

Insgesamt sieben Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind bis Mitte November im Schauspielhaus, Thalia Theater, St. Pauli Theater und auf Kampnagel zu sehen. Allesamt hoch gelobte Gastspiele: Das Wiener Burgtheater ist mit Matthias Hartmanns Inszenierungen von Schillers „Der Parasit“ mit Gertrud-Eysoldt-Ring-Trägerin Kirsten Dene und einem monumentalen „Krieg und Frieden“ Leo Tolstois zu Gast, das Schauspielhaus Zürich bringt Tschechows „Platonow“ und Euripides’ „Medea“ mit Nina Hoss auf die Bühne, die außerdem im St. Pauli Theater gemeinsam mit Jens Harzer Abschiedsbriefe der Widerstandskämpfer_innen gegen den Nationalsozialismus Helmuth James und Freya von Moltke liest. Das Münchner Residenztheater ist mit Arthur Schnitzlers Sittengemälde „Das weite Land“ vertreten und das Nationaltheater Mannheim mit Calixto Bieitos begeistert gefeierter Inszenierung von Frederico Garcia Lorcas „Bernarda Albas Haus“.

Dass das vollständig privat getragene Festival ausschließlich auf bewährte Gastspiele mit Theater-Stars setzt, hat ihm im Vorfeld Kritik eingebracht. In den kommenden Jahren sollen nun ein stärkerer Akzent auf den Nachwuchs gesetzt und auch internationale Produktionen präsentiert werden. Um Zuschauerresonanz indes muss man sich dabei keine Sorgen machen – die Platzauslastung wird auch dieses Jahr wieder bei nahezu 100 Prozent liegen.

■ Hamburg: So, 2. 10. bis So, 13. 11., www.hamburger-theaterfestival.de