JAPANS PREMIER HINTERLÄSST SEINE REGIERUNGSPARTEI IM CHAOS: Schwache Nachfolger
Japan kann aufatmen, zumindest für kurze Zeit. Mit Premierminister Shinzo Abe musste der wohl konservativste Regierungschef, den das Land in den letzten Jahrzehnten hatte, binnen 12 Monaten sein Amt räumen. Damit ist der große Plan der Leute um Abe, den Japanern ihre liberalen Nachkriegsmarotten auszutreiben und sie wieder zu den alten, traditionellen Werten der Vorkriegszeit zu bekehren, erst einmal auf Eis gelegt. Insbesondere das außenpolitisch wichtige Vorhaben, die japanische Friedensverfassung von 1947 ihrer pazifistischen Inhalte zu berauben, dürfte jetzt für einige Jahre vom Tisch sein.
Abe hinterlässt seine liberaldemokratische Regierungspartei LDP im Chaos. Alle Nachfolgeanwärter, auch der jetzt am häufigsten genannte Exaußenminister Taro Aso, gelten in Japan bislang als schwache Figuren. Die Opposition wittert deshalb erstmals seit langer Zeit wieder eine Chance, an die Macht zu kommen. Sie hat die Oberhauswahlen im Juli klar gewonnen und fordert nun Neuwahlen fürs machtentscheidene Unterhaus. Doch wird Abes Nachfolger erst einmal aufs Durchhalten setzten, darin war seine Partei bislang immer Meister.
Unsicher ist zudem, ob die LDP überhaupt einer neuen politischen Ausrichtung bedarf. Denn die Wähler liefen Abe nicht wegen seiner revisionistischen Geschichtsauffassung weg. Sie stellten nicht seinen starken Hang zum Militärischen in Frage. Sie hatten nur die Schnauze voll von den vielen Skandalen in seinem Kabinett. Und sie forderten mehr Rücksichtnahme auf Alltagsthemen wie Rente und Krankenversorgung, denen Abe ausgewichen war. Innenpolitisch wächst mit der Kluft zwischen Arm und Reich auch die soziale Unsicherheit. Viele junge Leute bekommen keine feste Stellen mehr, was in Japan größte Ängste auslöst.
Hinzu kommt die außenpolitische Angst vor China, mit dessen Aufstieg sich die Japaner bislang nicht abgefunden haben. Immer stärker war in den letzten Jahren zu spüren, wie sehr sich Japan außenpolitisch einigelte – ein Gegenprogramm hat auch die Opposition noch nicht. CHIKAKO YAMATO
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