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Archiv-Artikel

Spartanisch und spaßig

HANDBALL-WM Die erfolgreiche Aufholjagd gegen Russland wird den Teamgeist der Deutschen weiter beflügeln. Gegen die konterstarken Dänen peilt die Mannschaft von Dagur Sigurdsson nun gar den Gruppensieg an

„Wie in der ersten Halbzeit gegen Russland dürfen wir nicht spielen, sonst liegen wir schnell mit sechs Toren zurück“

DEUTSCHLANDS TRAINER DAGUR SIGURDSSON

AUS DOHA REINHARD SOGL

Nach dem gefühlt 100. Interview drehte Uwe Gensheimer am Tag nach seinem 100. Länderspiel den Spieß einfach um. Gut gelaunt griff der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft und der Rhein-Neckar Löwen in die Tasche seiner Jogginghose, zückte sein Handy, drückte den Aufnahmebutton und wollte von den professionellen Fragestellern wissen, was sie denn erwarten vom Spiel gegen Dänemark an diesem Dienstag (19 Uhr). Die Antwort deckte sich mit seiner Einschätzung: Die Dänen, die zum Auftakt gegen Argentinien einen Punkt abgegeben hatten, sind Favorit, aber es geht am dritten Spieltag überraschenderweise um den Gruppensieg der Staffel D mit reellen Chancen für den, laut Gensheimer, „Außenseiter“ aus Deutschland.

Dass der WM-Fünfte von 2013 nach zwei Spielen mit 4:0 Punkten die Tabelle anführt vor Vizeweltmeister Dänemark (3) und bereits so gut wie sicher das Achtelfinale erreicht hat, ist nicht zuletzt das Verdienst von Gensheimer. Bereits 16 Tore erzielte der Linksaußen: sieben zum Auftakt beim 29:26 gegen Polen, neun beim 27:26 gegen Russland. Nicht nur wegen seiner Treffsicherheit auch und gerade bei Strafwürfen wurde der Mannheimer als „Man of the Match“ ausgezeichnet. War der 28-Jährige gegen Polen noch zweimal vorm Strich gescheitert, verwandelte er am Sonntag gegen Russland alle vier Siebenmeter souverän. „Das war unheimlich wichtig. Aber er geht auch so als Kapitän voran und zieht die Nebenleute mit“, sagte Teammanager Oliver Roggisch, Gensheimers Vorgänger als deutscher Kapitän und langjähriger Klub-Kollege bei den Löwen.

Entschlossen waren die deutschen Spieler nach dem 9:13-Pausenrückstand gegen Russland aus der Kabine zurückgekehrt. Wie Bundestrainer Dagur Sigurdsson hatte auch Gensheimer den Kollegen eingebläut, Halbzeit eins abzuhaken und alles in die Waagschale zu werfen. Nach der erfolgreichen Aufholjagd sagte Deutschlands dreimaliger Handballer des Jahres: „So einen hohen Rückstand aufzuholen, schweißt zusammen.“ Wie seiner Meinung nach auch schon die intensive Vorbereitungszeit in einem spartanisch eingerichteten Hostel in der isländischen Heimat von Dagur Sigurdsson zum Teambuilding beigetragen habe: „Das hat viel Spaß gemacht.“

Mit Zusammenhalt und Mannschaftsgeist ist im Handball ja vieles möglich, doch für eine Überraschung gegen das auf allen Positionen mit Weltklassespielern besetzte dänische Team sei mehr vonnöten, meinte Gensheimer: „Wir müssen weniger Fehler produzieren als gegen Russland und in gewissen Spielsituationen die richtigen Entscheidungen treffen.“ Hilfreich könnte sein, dass gerade Gensheimer und seine Kollegen Patrick Groetzki und Stefan Kneer von den Rhein-Neckar Löwen den Mann auf der Schlüsselposition der Dänen bestens kennen: Weltklassetorhüter Niklas Landin spielt ebenfalls beim deutschen Vizemeister. Für die Flügelzange der Nationalmannschaft ist dieses Spitzenspiel eine Begegnung mit einem weiteren alten Bekannten. Seit Sommer ist der vorherige Löwen-Coach Gudmundur Gudmundsson dänischer Nationaltrainer, ein „Workaholic im positiven Sinn, der 24 Stunden am Tag Handball lebt“, wie Gensheimer den Isländer charakterisierte. Die Dänen werden also optimal vorbereitet sein auf das Duell mit Deutschland, denn Gudmundsson analysiert auch in Doha vor jedem Spiel stundenlang Videoaufnahmen vom kommenden Gegner. Gudmundssons Erkenntnis: „Die spielen als Mannschaft in allen Bereichen gut, haben eine gute Abwehr, und im Angriff läuft es strukturiert. Sie haben gefährliche Spieler auf allen Positionen.“

Gudmundsson ist aber auch nicht entgangen, dass sich die deutschen Rückraumspieler von der russischen Abwehr lange Zeit verunsichern ließen und mit Ballverlusten Tempogegenstöße ermöglichten. „Wie in der ersten Halbzeit gegen Russland dürfen wir im Angriff nicht spielen, sonst liegen wir schnell mit sechs Toren zurück“, mahnte Sigurdsson, der Kapitän der isländischen Nationalmannschaft gewesen war unter Trainer Gudmundsson und der zu seinem Landsmann regelmäßig Kontakt hält. Wichtig sei, keine Gegenstöße zuzulassen gegen die weltbeste Kontermannschaft.