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Archiv-Artikel

Keine Spur von Akademisierungswahn

BILDUNGSSTUDIEN Das Verhältnis von akademisch und beruflich Gebildeten ist in Deutschland stabil

„Deutschland steht vor einem verschärften Fachkräftemangel“

KAI GEHRING, GRÜNE

BERLIN taz | Von einem „Akademisierungswahn“, wie ihn manche konstatieren, ist Deutschland derzeit weit entfernt. Das zeigt ein am Montag veröffentlichter Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD. Demnach ist der Anteil der 25- bis 34-Jährigen in Deutschland mit einem akademischen oder äquivalenten beruflichen Abschluss mit 27 Prozent gerade mal 2 Prozentpunkte höher als in der Generation der 55- bis 64-Jährigen.

Betrachtet man allein die vergangenen 14 Jahre, ist auch in dieser Zeit in Deutschland kein Wandel von einer mehrheitlich beruflich gebildeten zu einer mehrheitlich akademisch gebildeten Bevölkerung erkennbar. Um weniger als 5 Prozentpunkte wuchs die Gruppe der höher Gebildeten seit 2013, das ist der zweitniedrigste Zuwachs unter allen 34 Industrieländern.

Die OECD gibt einmal im Jahr einen Bericht heraus, in welchem sie den Bildungsoutput ihrer Mitglieder und anderer Industrieländer vergleicht. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher stellte am Montag in London eine Vorabfassung vor.

Grundsätzlich konstatieren die Bildungsstatistiker der OECD einen deutlichen Trend zu höherer Bildung. So haben in den Industrieländern heute im Durchschnitt 40 Prozent der jungen Erwachsenen studiert oder einen vergleichbaren höheren Berufsabschluss erworben. In der älteren Generation ist nur jeder Vierte höher gebildet. Die Dynamik der Veränderungen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. So hat sich der Anteil der akademisch Gebildeten in Südkorea innerhalb von 30 Jahren mehr als vervierfacht; in den Niederlanden fast verdoppelt.

In Deutschland blieb nicht nur der Akademikeranteil fast konstant, auch der Anteil der beruflich Gebildeten verharrte mit 60 Prozent über zwei Generationen auf exakt gleichem Niveau. „Wer das Schreckgespenst ‚Akademikerschwemme‘ an die Wand malt, will offenbar die Unis dichtmachen“, meint deshalb der Hochschulexperte der Grünen, Kai Gehring. „Falsche ideologische Schlachten lenken davon ab, dass Deutschland vor einem verschärften Fachkräftemangel an beruflich und an akademisch Qualifizierten steht.“

Immer schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben gering Gebildete, denen laut OECD die benötigten Fähigkeiten für ein erfolgreiches Leben in modernen Gesellschaften fehlten. In Deutschland trifft das auf immerhin 13 Prozent der jungen Leute zu. ANNA LEHMANN

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