: Belege für Gorleben-Lüge
ATOMMÜLL-ENDLAGER Neue Akten des Untersuchungsausschusses zeigen, dass die Entscheidung für den Standort Gorleben rein politisch fiel und innerhalb von drei Wochen durchgedrückt wurde
BERLIN taz | Die Aussage der niedersächsischen Landesregierung, dass der Endlagerstandort Gorleben nach einer fachlichen Untersuchung ausgewählt wurde, ist offenbar nicht zu halten. Neue Akten aus dem Gorleben-Untersuchungsausschuss, die der taz vorliegen, zeigen, dass das Land sich im Jahr 1976 politisch für den Standort entschieden hat und das Ergebnis einer angeblichen weiteren Untersuchung schon im Vorhinein festgelegt wurde.
In einem vertraulichen Protokoll aus der niedersächsischen Staatskanzlei vom November 1976 heißt es ausdrücklich, dass das Kabinett „politisch“ eine „Vorentscheidung“ treffen werde. Zusätzlich zu den drei ursprünglich ausgewählten Standorten wurde der Landkreis Lüchow-Dannenberg, in dem Gorleben liegt, in die Liste aufgenommen. Und das Ergebnis einer angeblichen Nachuntersuchung durch die vom Bund beauftragte Gesellschaft Kewa wurde in einem Vorschlag für das weitere Vorgehen genau festgelegt: „Kewa hat diesen Gedanken aufgegriffen, aus ihrer Sicht untersucht und einige, vor allem Lüchow-Dannenberg, für gut befunden“, heißt es in dem Vermerk – bevor Gorleben überhaupt offiziell vorgeschlagen war und die angebliche Nachprüfung durch die Kewa stattgefunden haben konnte.
Diese Akten stützen die Vermutung der Oppositionsfraktionen, dass Gorleben rein politisch und unter großem Zeitdruck ausgewählt wurde, weil an den anderen Standorten mit mehr Widerstand gerechnet wurde. 1976 drängte die Entscheidung für einen Standort, weil Gerichte davon den Weiterbetrieb und den Neubau von Atomkraftwerken abhängig gemacht hatten.
Der ehemalige niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Leisler Kiep (CDU), der Gorleben seinen eigenen Tagebuchaufzeichnungen zufolge nach einem Treffen mit dem RWE-Vorstand als Standort ins Gespräch gebracht hat, konnte gestern im Untersuchungsausschuss kaum zur Aufklärung beitragen. Der 85-Jährige machte Erinnerungslücken geltend und äußerte sich widersprüchlich. MKR
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