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Archiv-Artikel

„Das Potenzial für Fairen Handel ist groß!“

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul will freien Zugang zu Märkten der reichen Länder für Produkte aus Entwicklungsländern

HEIDEMARIE WIECZOREK-ZEUL, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

taz: Das Budget für Entwicklungshilfe aus Deutschland betrug im vergangenen Jahr 0,36 Prozent des Bruttosozialprodukts. Reicht das als politisches Vorbild, um Bürger zum Fairen Handel zu animieren?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Die Millenniums-Entwicklungsziele erreichen wir nur gemeinsam! Wir haben beschlossen, unser Budget stufenweise zu erhöhen: bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Das bedeutet erheblich mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Unabhängig vom Budget des Bundesentwicklungsministeriums sind die Entwicklungsländer aber auch auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Europa angewiesen. Das Kaufverhalten bietet hier einen idealen Ansatzpunkt. Denn je größer der Marktanteil von fair gehandelten Produkten wird, umso mehr kommt den Menschen in den Entwicklungsländern zugute. Der Umsatz in Europa ist bereits auf jährlich über 660 Millionen Euro angestiegen. Das Potenzial für Fairen Handel ist groß!

Wie greifen die Konzepte der deutschen Entwicklungshilfepolitik und des Fairen Handels ineinander?

Der Faire Handel ergänzt unsere Entwicklungspolitik. Mit unserer Entwicklungspolitik helfen wir mit, die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Menschen in den Entwicklungsländern erfolgreich wirtschaften können – auch die Produzentinnen und Produzenten des Fairen Handels. Dabei gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte, beispielsweise bei der Bildung, bei der Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen oder nicht zuletzt mit der Stärkung von verantwortlicher Regierungsführung, die gegen Korruption vorgeht. Wer für seine Produkte einen fairen Preis erzielt, kann sich und seine Familie ernähren, die Kinder zur Schule schicken, in Gesundheit investieren und so aus eigener Kraft der Armut entkommen.

Schon heute profitieren mehr als 1,4 Millionen Produzentinnen und Produzenten und ihre Familien in den Entwicklungsländern vom Fairen Handel. Aber es ist auch klar: Das Welthandelssystem insgesamt muss fair werden. Ich bin für den freien Zugang zu den Märkten der reichen Länder für Produkte der Entwicklungsländer und ein möglichst schnelles Ende von ungerechten Agrarexportsubventionen.

Was tut die Bundesregierung, um den Anteil des Fairen Handels in Deutschland zu erhöhen?

Von 2003 bis 2007 haben wir den fairen Handel mit insgesamt 8,3 Millionen Euro gefördert. Mit unserer erfolgreichen Kampagne „fair feels good“ haben wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern ganz konkret die Auswirkungen hiesigen Konsums auf die Lebenssituation der Produzentinnen und Produzenten vor Augen geführt. Wir haben gezeigt, wie jede und jeder Einzelne durch seine Kaufentscheidung zur Bekämpfung von Armut beitragen kann. Außerdem fördern wir die Erarbeitung und Umsetzung freiwilliger sozialer und ökologischer Standards. Dafür organisieren wir zum Beispiel runde Tische zu Verhaltenskodizes und finanzieren konkrete Projekte im Textil- oder Kaffeesektor. Schließlich unterstützen wir die Weltläden, die jährliche „Faire Woche“, die Einführung neuer Produkte und das „Forum Fairer Handel“ als gemeinsame Plattform der zahlreichen Fairhandelsorganisationen in Deutschland. Zudem tragen wir die Diskussion um den Fairen Handel auch in die europäischen Institutionen: So haben wir in der EU während der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 die Förderung des Fairen Handels als Bestandteil der EU-Handelshilfe beschlossen. INTERVIEW: LARS KLAASSEN