Ministerium in Bedrängnis

ILLEGALE BESCHÄFTIGUNG Zum Einsatz von Honorarkräften an Niedersachsens Ganztagsschulen fordert die Opposition jetzt Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft prüft 10.000 Verträge, der Landesrechnungshof ist eingeschaltet

Die Grüne Ina Korte fragt sich, ob der Minister „wahrheitsgemäß informierte“

Der Druck auf Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) wächst. Seit knapp zwei Wochen prüft der Landesrechnungshof nun schon auf Antrag der SPD den langjährigen, umstrittenen Einsatz von Honorarkräften an Ganztagsschulen. Am Freitag forderten Grünen- und Linksfraktion Akteneinsicht zum Austausch zwischen Ministerium und der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Tags zuvor hatte das ARD-Magazin „Panorama“ berichtet, die DRV habe das Kultusministerium bereits 2007 „intensiv aufgeklärt“, dass der Einsatz von pädagogischen MitarbeiterInnen als Honorarkräfte an Ganztagsschulen illegal sei. Das Ministerium teilte demnach 2008 schriftlich mit, es habe verstanden und werde die Vorgaben anwenden.

Minister Althusmann hatte bislang immer angegeben, die DRV habe sich nur zu Einzelfällen geäußert, nicht aber grundsätzlich. Seit dem Jahr 2008 habe man gar nichts mehr von ihr gehört – und sei daher davon ausgegangen, die Praxis werde nicht beanstandet. Jetzt spricht er von „Kommunikationsproblemen zwischen Ministerium und Rentenversicherung“.

Seit die schwarz-gelbe Landesregierung 2004 die Ganztagschule eingeführt hat, bekommen die Schulen in Niedersachsen ein Budget für Personal. Vor allem am Nachmittag setzen sie pädagogische MitarbeiterInnen als Honorarkräfte zur Betreuung ein, zum Teil auch zum Unterricht – mitunter für weniger als acht Euro die Stunde. Beschäftigt sind die BetreuerInnen zwar als Selbstständige, erhalten aber Weisungen der Schulleitungen.

Dass das rechtswidrig ist, hat das Arbeitsgericht Hannover bereits in mehreren Fällen entschieden. Seit Jahresbeginn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Sozialversicherungsbetrugs – rund 10.000 Honorarverträge stehen auf dem Prüfstand.

Nach den Aussagen der DRV will die SPD-Bildungspolitikerin Frauke Heiligenstadt jetzt wissen, „wie Althusmann und seine Vorgänger mit den Hinweisen umgegangen sind“. Für die Grünen-Abgeordnete Ina Korte stellt sich die Frage, „ob Althusmann im Parlament wahrheitsgemäß informiert hat“. Christa Reichwaldt (Die Linke) vermutet, man habe auch nach dem Hinweis der DRV 2007 „ganz bewusst das Billigmodell zu Lasten der Beschäftigten weiterlaufen lassen“.

Grüne und Linksfraktion fordern nun per Akteneinsicht Aufklärung, zudem wollen sie die DRV im Kultusausschuss des Landtages befragen.

Einen Erlass des Ministeriums, der es den Schulen ermöglicht, auch befristete und unbefristete Arbeitsverträge mit pädagogischen MitarbeiterInnen abzuschließen, hat Althusmann bereits 2009 als Staatssekretär auf den Weg gebracht. In Kraft ist er allerdings erst seit Februar 2011 – kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen.

Doch nach wie vor seien zwei Drittel der pädagogischen MitarbeiterInnen an den Ganztagsschulen Honorarkräfte, kritisiert Frauke Heiligenstadt. „Der Ganztagsschulbetrieb“, sagt die Sozialdemokratin, „wird mit ihnen aufrecht erhalten – eine zumindest arbeitsrechtlich fragwürdige Situation.“ THA