Harald Keller Der Wochenendkrimi
: Entführt im Trümmerland

Da das gewerbliche Kino die Repertoirepflege aufgegeben hat, darf sich das Publikum freuen, dass immerhin das Fernsehen zuweilen filmische Raritäten serviert. Jacques Tourneurs Politkrimi „Berlin-Express“ aus dem Jahr 1948 ist ein zwar wenig bekanntes, aber meisterlich inszeniertes Werk, das allein die Anschaffung eines Aufzeichnungsgerätes lohnt. Denn „Berlin-Express“ ist hochspannend und als visuelle Erzählung eine Wucht.

Nach einer Idee des deutschen Exilanten Curd Siodmak schrieb Harold Medford eine packende Geschichte um eine Gruppe privilegierter Passagiere, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Eisenbahnzug der US-Armee von Paris nach Frankfurt reist. Das Publikum hat zuvor schon erfahren, dass Unheil im Schwange ist. Grund dafür ist die politische Mission eines deutschen Exilpolitikers, der während der NS-Zeit dem Widerstand angehörte und die Wiedervereinigung des in vier Besatzungszonen aufgeteilten Landes unter demokratischen Vorzeichen leiten soll.

Eine gut organisierte Bande von Unverbesserlichen hält dagegen. Im Zug explodiert eine Bombe, später wird der Hoffnungsträger unter den Augen seiner Bewacher entführt. Ein bunt zusammengewürfeltes Fähnlein, Vertreter aller vier Besatzungsmächte, die sich im Zug erst kennen gelernt haben, macht sich im zerbombten Frankfurt auf die Suche nach ihm.

Auch wenn da einiges vor Rückprojektionen stattfindet, die zeitgenössischen Aufnahmen aus Paris, Frankfurt und Berlin haben dokumentarischen Charakter. Begleitet von einem erläuternden Kommentar, lieferten sie ein authentisches Bild von den hiesigen Lebensverhältnissen in die USA. Unter den Mitwirkenden sind weitere deutsche Exilanten wie die Schauspieler und Regisseure Reinhold Schünzel und Fritz Kortner. Friedrich Holländer schrieb die Musik.

„Berlin-Express“, Sonntagnacht 1.15 Uhr, ARD