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Archiv-Artikel

Strafe: 497.000.000

VON CHRISTIAN RATH

Die EU-Kommission hatte Recht darin, Microsoft wegen Missbrauchs seiner Marktmacht zu rügen und Auflagen zu verhängen. Dies entschied gestern das Europäische Gericht Erster Instanz in Luxemburg. Die Geldbuße von 497 Millionen Euro hielten die Richter deshalb für gerechtfertigt. Microsoft kann gegen die Entscheidung binnen zwei Monaten Rechtsmittel beim ebenfalls in Luxemburg ansässigen Europäischen Gerichtshof einlegen.

Seine überlegene Marktmacht verdankt Microsoft dem Betriebssystem Windows, das auf rund 90 Prozent aller Computer läuft. Nach Auffassung der Kommission hat Microsoft dieses Quasi-Monopol genutzt, um auch Nachbarmärkte zu monopolisieren. Deshalb verhängte die Kommission im März 2004 die Rekord-Geldbuße von 497 Millionen Euro und erteilte Microsoft Auflagen. So musste der Konzern den Kunden eine Windows-Version ohne den Media Player – eine Software zum Abspielen von Musik und Filmen – anbieten. Das ist inzwischen erfolgt, stieß aber auf wenig Interesse des Publikums. Dennoch hielt das Gericht die Auflage für gerechtfertigt, um den Wettbewerb auf dem Player-Markt zu schützen.

Die zweite Auflage ist deutliche wirkungsvoller und war darum auch stärker umkämpft. So musste Microsoft seinen Wettbewerbern die Schnittstellen der Windows-Software offenlegen, damit diese ihre Produkte auf Windows abstimmen können. Microsoft kritisierte, dies sei ein Eingriff in das Recht auf geistiges Eigentum. Die Kommission ermögliche so den Wettbewerbern, Software von Microsoft zu kopieren.

Diese Vorwürfe wies das EU-Gericht unter dem dänischen Vorsitzenden Bo Vesterdorf zurück. Nur mit dem nötigen Know-how seien Wettbewerber dazu in der Lage, Software herzustellen, die mit Windows optimal kommunizieren könne. Es gehe auch nicht darum, den Wettbewerbern die Entwicklung von identischer, sondern von alternativer Software zu ermöglich. Microsoft müsse auch nicht den gesamten Quellcode von Windows offenlegen, sondern nur bestimmte Protokolle.

Das Gericht bestätigte zwar den Grundsatz, dass sich jedes Unternehmen seine Geschäftspartner selbst aussuchen kann. Ausnahmen seien jedoch erforderlich, wenn ein dominierendes Unternehmen mit der Abschottung seines Know-hows den Wettbewerb auf Nachbarmärkten gefährde. Microsoft habe nicht belegt, dass die Offenlegung der Windows-Schnittstellen seine Innovationsbereitschaft schwäche.

Nur in einer Nebensache hatte Microsoft Erfolg. Das Gericht beanstandete die Einsetzung des Briten Neil Barrett als unabhängigen Gutachter, der die Einhaltung der Auflagen überprüfen sollte. Derartiges sei im EU-Recht nicht vorgesehen und müsse von Microsoft nicht bezahlt werden.

Eine zweite Geldbuße in Höhe von 280,5 Millionen Euro, die die Kommission im vergangenen Jahr gegen Microsoft verhängte, war nicht Gegenstand dieses Prozesses. Die Kommission hatte die erneute Sanktion verhängt, weil der Konzern die Auflagen zur Transparenz der Schnittstellen nicht ausreichend befolgt habe.

Ursprünglich hatte das Verfahren der Computer- und Software-Hersteller Sun mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission ins Laufen gebracht. Doch im Jahr 2004 besänftigte Microsoft den ursprünglichen Gegner mit der Zahlung von 1,6 Milliarden Euro. Inzwischen kooperieren beide Unternehmen sogar. Auf den Prozess zwischen Microsoft und der Kommission hat das keine Auswirkungen. (Az. T-201-04)

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