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Archiv-Artikel

Prozess nach Brandanschlag

Vor dem Landgericht müssen sich fünf junge Männer verantworten, die Molotowcocktails auf ein türkisches Lokal geworfen haben sollen. Laut Anklage wollten sie auf das Schicksal des Kurdenführers Öcalan aufmerksam machen

Vor dem Landgericht begann gestern der Prozess gegen fünf junge Männer, die vor einem halben Jahr selbst gebaute Molotowcocktails in das gut besuchte Lokal des türkischen Kulturvereins „Teke tek“ in der Neuköllner Hermannstraße geworfen haben sollen. Alle sind in der Türkei geborene türkische Staatsbürger.

In der nichtöffentlichen Verhandlung legte der Staatsanwalt den fünf Angeklagten im Alter von 17 bis 23 Jahren versuchte schwere Brandstiftung, versuchte gefährliche Körperverletzung sowie Verstöße gegen das Waffen- und Vereinsgesetz zur Last. Im Einzelnen erhob er folgende Vorwürfe: Mehmet B., der jüngste der Angeklagten, soll mit einem unbekannten Mittäter am 20. März gegen 22 Uhr in der Küche einer Wohnung vier Molotowcocktails hergestellt haben. Anschließend hätten sich die vier jüngeren Angeklagten mit je einer benzingefüllten Flasche auf unterschiedlichen Wegen zum Vereinslokal „Teke tek“ (Mann gegen Mann) in die Hermannstraße gemacht. Dort warfen sie laut Anklage die entzündeten Brandsätze in den Eingangsbereich und ins Schaufenster des hell erleuchteten Lokals und riefen „Biji Serok Apo“ – auf kurdisch „Es lebe der Führer Abdullah Öcalan!“ Außerdem soll Mehmet B. einen Aufkleber mit den Worten „Wer Öcalan vergiftet, schürt den Krieg!“ am Tatort befestigt haben.

Protest gegen Haft

Die Brandstifter wollten offenbar auf das Schicksal des Führers der verbotenen kurdischen Separatistenorganisation PKK, Abdullah Öcalan, aufmerksam machen. Öcalan war 1999 in der Türkei zum Tode verurteilt worden. Später wurde die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Er setzte sich für einen kurdischen Nationalstaat ein.

In jener Märznacht breiteten sich die Flammen sehr schnell aus und bedrohten die Gäste im Lokal. Beim Löschen erlitt der Chef des Kulturvereins eine Brandwunde an der Hand, so die Anklage. Weiter heißt es, die vier Jugendlichen seien durch zufällig am Tatort vorbeikommende Zivilpolizisten noch in der Tatnacht verhaftet worden. Den fünften Angeklagten, den 23-jährigen Adem G., verhaftete die Polizei beim Abholen eines geliehenen Autos, das zur Flucht benutzt werden sollte.

Über den politischen Hintergrund erfuhren die Prozessbeobachter beim gestrigen Auftakt kaum etwas, denn eine Stunde nach Verhandlungsbeginn entschied das Gericht, dem Antrag eines Verteidigers eines 17-jährigen Angeklagten zu entsprechen und die Öffentlichkeit von dem Prozess auszuschließen. Die Angeklagten, die sich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses sehen würden, könnten in der Verhandlung „Imponiergehabe entwickeln“ und dadurch „die Wahrheitsfindung gefährden“, begründete der Vorsitzende Richter die Entscheidung.

Angst vor Repressalien

Den Antrag des Verteidigers, der die Interessen des 22-jährigen Mehmet A. vertritt, lehnte das Gericht dagegen ab. Er hatte gefordert, jegliche Mitteilung über das Verfahren zu verhindern. Sogar den Aushang mit den Terminen für die 14 weiteren Sitzungen, die bereits bis Dezember geplant sind, wollte der Rechtsanwalt aus dem Blick der Öffentlichkeit entfernen lassen. Moritz begründete diese Forderung mit der Fürsorge für seinen Mandanten. Dieser habe als identifizierter PKK-Anhänger bei seiner Einreise in die Türkei Befragungen durch den türkischen Geheimdienst MIT sowie Folter zu befürchten. UTA FALCK