: Aufs Äußere kommt es an!
MARKE Das beste Produkt bleibt Ladenhüter, wenn die Verpackung nicht stimmt. Selbst die taz wäre ohne ihre WerbegrafikerInnen längst Geschichte
VON MANUEL SCHUBERT
Woran erkennt man die taz? Was macht sie unverwechselbar? Unsere RedakteurInnen würden sagen, die Inhalte, die sie jeden Tag ins Blatt bringen, was selbstverständlich stimmt – auch. Aber konkret wird die taz zuallererst durch ihr Aussehen unverwechselbar. Durch den Titelschriftzug in Schreibmaschinenschrift und ausdrücklich mit Punkt. Dazu das inzwischen klassische taz-Rot.
Am 27. September 1978 erschien die Nullnummer der taz, die erste taz-Zeitungsausgabe überhaupt. In eingeweihten Kreisen der damaligen Zeit wusste man um dieses historische Ereignis, das Erscheinen der ersten unabhängigen linken Tageszeitung der Bundesrepublik. Doch schon damals reichten die finanziellen Kräfte dieser Zirkel allein nicht aus, um ein Tageszeitungsprojekt am Leben zu erhalten. Die „Tageszeitungsinitiative“ war darauf angewiesen, auf sich aufmerksam zu machen.
Wenn schon unbedingt Werbung, dann bitte tazzig
Plakate entstanden, die die Ankunft der taz-Nullnummer in ausgesuchten Buchläden verkündeten. Darauf der taz-Titelschriftzug, fast, wie er heute noch das Blatt prägt, allerdings ohne tazze und mit großem Tageszeitungs-T. Darunter nur ein Comicstrip – in Schwarzweiß. Eines dieser Plakate hängt bis heute im Konferenzraum der taz und erinnert an ihre improvisierten Anfänge. Dieses Plakat zeigt auch, dass die taz Eigenwerbung schon damals anders verstand, auch visuell – tazzig eben.
Denn man war ein idealistisch gesinntes linkes Projekt. Heißt: Kommerziell konnotierte Werbung hatte darin nichts zu suchen – eigentlich. Die ersten großen taz-Aktionen zeigten sich zwar noch grafisch schlicht, dafür aber schon inhaltlich wuchtig und im Ton laut: „Was hier nicht steht, steht in der taz.“ oder „Keine taz mehr? Ohne mich!“
Dabei waren die Anfänge der taz-Werbegrafik bescheiden. Ulrike Sindlinger, mit Wibke Reckzeh, Jeff Harwell und Dominik Herrmann eine von derzeit vier MitarbeiterInnen in der Abteilung, erinnert sich an die Zeit von 1994, als sie in der taz begann: „Vor 21 Jahren bestand die gesamte Werbeabteilung aus zwei MitarbeiterInnen, wovon eine Kollegin genau genommen bei der Geschäftsführung tätig war. Mit mir waren wir dann zu dritt.“ Auf diesem Niveau konnte es nicht bleiben, genauso wenig wie die taz selbst. Wollte sie überleben, musste sie wachsen und mit ihr die Abozahlen. Es brauchte schlagkräftige Kampagnen, die die taz als einzigartige Zeitung, als Marke auf dem deutschen Zeitungsmarkt etablieren.
Zur Not eben mit Lear-Jet
Allzu idealistischen BegleiterInnen der taz ging das freilich zu weit, sie kehrten dem Projekt den Rücken in dem Maße, wie es zu einem eigenständigen und eigensinnigen Medienhaus wuchs. Viele der Kampagnen, die diesen Wandel vorantrieben, wurden von den MitarbeiterInnen der taz-Werbegrafik visuell umgesetzt. Selbst wenn dies auch schon mal in aufwendige Foto-Shootings am gemieteten Lear-Jet ausartete.
Die inhaltlich anspruchsvolle Text-Bild-Verbindung ist Pflicht, ansonsten gibt es kaum Tabus. Die KollegInnen der taz-Werbegrafik geben den Ideen und Zielen, die die Geschäftsführung der taz und die Redaktion vorgeben, ihre Gestalt. Die Dringlichkeit einer Abokampagne will genauso transportiert werden wie beispielsweise die Komplexität des taz.lab-Themas. Indessen besteht der Arbeitsalltag von GrafikerInnen in der taz-Werbeabteilung nicht nur aus der grafischen Umsetzung von Abowerbung. Grafik ist eben alles, oder anders: alles will gestaltet sein.
„Gedöns“ kann man visuell nicht umsetzen, oder doch?
Das taz-Logo genauso wie das tazpresso-Logo, der taz-Stand auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt genauso wie der auf der Biofach oder beim Evangelischen Kirchentag. Schnelle Ideen zur taz-Eigenwerbung oder wundervolle Fotos der schnellen taz-Räder, Demo-Schilder oder Schaufensterverhüllungen als Verlängerungen von taz-Kampagnen hinein in den öffentlichen Raum. Auch hierfür sind die GrafikerInnen zu haben. Sie pflegen die Marke taz und sorgen dafür, dass das unverwechselbare taz-Rot zu jedem Anlass so aussieht, wie es auszusehen hat.
Das taz.lab 2015 ist dabei keine einfach zu lösende Aufgabe, sind der Begriff „Gedöns“ und der Slogan „Was wirklich zählt“ aus GrafikerInnensicht doch eher abstrakt. Die KollegInnen besahen sich auf der Suche nach einer Idee zwei Fotos von einer Klausur des taz.lab-Teams 2015, abgelichtet waren darauf zwei große Blatt Papier, auf denen zahllose Begriffe standen. Ein Gewusel von Begriffen – ein Wimmelbild.
Dieses Wimmelbild prägt nun die taz.lab-Seiten in der taz.am wochenende, es findet sich auf den Eintrittskarten, dem Twitter-Profil und auf Postkarten zum taz.lab. Gezeichnet wurde dieses Tableau von Donata Kindesperk.
Streng genommen betreut sie hauptberuflich die Bewegungsseiten in der taz und das Onlineportal bewegung.taz.de. Doch zugleich ist Kindesperk auch Illustratorin. Für ihr Wimmelbild schuf sie unzählige Einzelmotive – vom Strap-on-Dildo bis zum Schaukelpferd.
Mit Zeichenstift und Papier arbeitet sie, seit sie denken kann. Schon als Vierjährige kritzelte Donata Kindesperk Tigerköpfe, die eher an abstrakte Kunst denn an die Arbeit eines Mädchens im Waldorfkindergarten erinnerten. Für sie ist Zeichnen bis heute ein sinnliches Erlebnis geblieben. „Es klappt nur, wenn Stift und Papier miteinander harmonieren“, wie sie sagt.
Bei ihrer Arbeit für das taz.lab muss dies unbedingt der Fall gewesen sein. Denn binnen weniger Tage entstand die Grundlage zu dem, was die WerbegrafikerInnen der taz nun zur großen taz.lab-Grundgrafik fügten: Gedöns im besten Sinne – und unverwechselbar tazzig.
■ Manuel Schubert, 30, ist Redakteur des taz.lab 2015 und betreut ebenso die ausdertaz-Seite in der taz.am wochenende.