: Nichtreligiöse Meinung hochhalten
SCHÄFCHEN „Religionen sind totalitäre Ideologien, die in einer Demokratie nur existieren dürfen, solange sie täglich aufs Schärfste angegriffen werden können“, meinte Daniel Schulz am vergangenen Wochenende in der taz. Nicht alle LeserInnen teilen diese Meinung
Klarstellung
■ betr.: „Religionskritik. Gottes Liebe ist bitter“, taz.de vom 17. 1. 15
Auf eine solche Klarstellung habe ich seit den Pariser Anschlägen bisher vergeblich gewartet, nirgends wenden sich Medienbeiträge gegen die Intoleranz der Religionen an sich. Es ist einer der perfidesten und zugleich lächerlich durchschaubaren Tricks der Religionsvertreter, die, im jeweiligen Glaubenssystem nur konsequenten, besonders Radikalen und ihre Untaten einfach herauszudefinieren.
Egal wohin man schaut, überall wo der Einfluss monotheistischer Religionen (lassen wir die guten Buddhisten mal außen vor) auf Staat und Gesellschaft zunimmt, wird das Klima autoritärer und die Intoleranz gegenüber nichtkonformen Einstellungen oder gar Lebensweisen steigt; egal ob in Europa, Nordafrika, im Nahen und Mittleren Osten, Russland, Zentral- und Südasien, Nord- und Südamerika, mir ist keine einzige Ausnahme bekannt.
Und trotzdem, und obwohl das so offensichtlich ist, erheben sich kaum seriöse Stimmen in der Öffentlichkeit, die sich den ewigen Toleranzforderungen für die ihrem Wesen nach intoleranten Religionen entgegenstellen. Hörbare Grundsatzkritik kommt in aller Regel nur aus diversen rechten Lagern, die – welche Ironie! – immer den Totalitarismus der jeweils anderen bloßzustellen versuchen. Warum nur gibt es keine hörbare linke Religionskritik mehr, die sich diesen üblen Entwicklungen entgegenstellt? Es ist mir unbegreiflich. RUHIG BLUT, taz.de
Großartiger Artikel
■ betr.: „Schäfchen. Gottes Liebe ist bitter“, taz vom 17. 1. 15
Alleine dieser großartige Artikel ist es wert, dass ich die Wochenend-taz ein weiteres Jahr abonniere. Hilfreich wäre allerdings, Staat und Religion endlich wirklich zu trennen (Steuereintreibung, Theologenausbildung, glaubensorientierter Religionsunterricht, Beginn des Schuljahrs mit „Heiliger Messe“ etc …) und Religion zur Privatsache zu machen.JÜRGEN MATHÄSS, Landau
Aushalten
■ betr.: „Schäfchen. Gottes Liebe ist bitter“, taz vom 17. 1. 15
Danke, Daniel Schulz, für diesen Beitrag. Einer muss ja mal klar und direkt die nichtreligiöse Meinung hochhalten. Frau Merkel und all die anderen wünschen sich eine Verständigung der Religionen, dabei sind die sich schnell untereinander einig. Der zivilisatorische Fortschritt der Meinungs- und der Religionsfreiheit schützt aber insbesondere diejenigen, die abweichen vom Rest, die anderer Auffassung sind oder mit Religion an sich nichts am Hut haben. „Tolerieren“ meint Aushalten, und aushalten müssen Religionen eben Kritik und Spott der Atheisten. Religionen können nur ihre eigenen Klubmitglieder zur Gefolgschaft anhalten, allen anderen kann dieser Mumpitz egal sein oder sogar als gefährlich gelten. Dass Demokratie und Moderne lediglich Verfahren der Verständigung regelt und sich (bis auf Grundlegendes) hinsichtlich der „Wahrheit“ zurückhält, ist eine zutiefst kritische, weltliche, rationale Position. MAIK HARMS, Hamburg
Unterricht erteilt
■ betr.: „Schäfchen. Gottes Liebe ist bitter“, taz vom 17. 1. 15
Daniel Schulz schlüpft in die Rolle des Sachkundelehrers und erteilt Unterricht. Er schreibt: „Es gibt keine Gewissheiten.“ Keine? Keine! Außer natürlich den Imperativen, die er in seinem Unterricht vermittelt. Denn die sind ja objektiv hergeleitet, also gesichert gewiss. Ein solcher Imperativ: Alles muss verhandelbar sein. Alles? Alles! Außer natürlich dem Satz, dass alles verhandelbar sein muss, denn sonst müsste ja nicht alles verhandelbar sein. Vielleicht auch außer den weiteren gesicherten Imperativen nach Absatz 1 … Ich lass es mal bei den Beispielen und sag: Lehrer Schulz muss seine nächste Unterrichtseinheit besser vorbereiten. Es sei denn, er möchte in seiner Rolle umsatteln von Lehrer auf Münchhausen, wo es zur guten fachlichen Praxis gehört, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. ALFRED TRUKENMÜLLER, Dessau-Rosslau
Offene Gesellschaft
■ betr.: „Schäfchen. Gottes Liebe ist bitter“, taz vom 17. 1. 15
Daniel Schulz’ Blick auf Religion ist bestimmt von der Erfahrung mit einer sektiererischen Zerrform des Glaubens. Das gibt es, leider. Problematisch wird es, wenn Schulz seine Erfahrung und seine Beurteilung von Religion verabsolutiert. Wenn er alle Weltreligionen in ihren vielfältigen Inhalten und Ausdruckformen mit vernunftwidrigem, gewaltbereiten Totalitarismus gleichsetzt, der „aufs Schärfste angegriffen“ werden muss. Solch pauschale Beurteilung trägt selbst totalitäre Züge.
Auch mir graut vor religiös motiviertem Fanatismus. Mir graut ebenso vor religionsfeindlichem Fundamentalismus, der religiöse Menschen zu Feinden einer „offenen Gesellschaft“ erklärt und ihnen letztlich ihre Existenzberechtigung in dieser Gesellschaft abspricht. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der Glaube endgültig zur Privatsache einiger rückständiger Spinner erklärt ist und in obskuren Zirkeln am Rande des öffentlichen Lebens verkommt. Lieber setze ich mich ein für eine offene Gesellschaft, in der alle Menschen guten Willens den offenen Austausch suchen: in der Atheisten und Gläubige aller Religionen in durchaus konfliktfähiger Toleranz, aber vor allem empathisch und respektvoll gemeinsam an einer menschenfreundlichen Gestaltung des Zusammenlebens arbeiten – und dabei ihre jeweiligen Glaubensüberzeugungen nicht verleugnen (müssen).RITA MAKARINUS, Offenburg
Zwei Linien
■ betr.: „Schäfchen. Gottes Liebe ist bitter“, taz vom 17. 1. 15
Der Autor lässt erkennen, dass sein Artikel sich aus Wut und eigenem Erleben speist. Gegen persönliche Betroffenheit ist nicht zu argumentieren. Aber die Schlussfolgerungen? Die genannten negativen Beispiele aus evangelikalem und salafistischem Milieu sprechen nur für sich und haben keine generelle Bedeutung. Unbestritten ist, dass es zum Beispiel im Bereich der Geschichte des Christentums immer einen Kampf zweier Linien gegeben hat. Der spanische Mönch Bartholomé de Las Casas hat nach 1492 der Versklavung von Indigenen widersprochen. Friedrich von Spee hat als Hexen verklagte Frauen verteidigt und sich gegen Hexenverfolgung aufgelehnt. Dietrich Bonhoeffer war Teil des antifaschistischen Widerstands. Martin Luther King trat für die Gleichheit aller Menschen ein. Beide haben mit dem höchsten Preis, ihrem Leben, dafür bezahlt. Der Ökumenische Rat der Kirchen, Desmond Tutu, Nelson Mandela stehen für das Anti-Apartheit-Programm in Südafrika. Alle hier genannten Personen verkörpern die christliche Idee, dass die Gleichheit aller Menschen und deren Rechte unverhandelbar sind, weil sie Geschöpfe Gottes sind. Es ist sicher richtig, dass diese emanzipatorische Linie in vielen Fällen zu schwach war. Aber die westliche offene Gesellschaft von heute ist auch ein Ergebnis ihres Wirkens. WILFRIED OERTEL, Berlin
Unappetitlich
■ betr.: „Religionskritik. Gottes Liebe ist bitter“, taz.de vom 17. 1. 15
Guter Beitrag, der den Blick auf die zu oft und gern vernachlässigte unappetitliche Außenseite der Religionen lenkt. ULRICH FRANK, taz.de