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Archiv-Artikel

Stiftung Warentest für Pillen

Mit einem Register empfehlen Bremer Pharmakologen besonders wirksame Medikamente. Viele teure Präparate stehen nicht auf der Liste. Die Kassen möchten das Register bundesweit einführen

Von Christian Jakob

Mit dem bundesweit ersten Arzneimittelregister werden Bremer ÄrztInnen ab Oktober besonders wirksame Medikamente empfohlen. Das von AOK, Handelskrankenkasse (HKK) und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) finanzierte Projekt soll für mehr Wirtschaftlichkeit bei der Arzneimittelverschreibung sorgen. Die teilnehmenden Arztpraxen bekommen eine auf ihr Fachgebiet zugeschnittene Wirkstoffliste. Sie können jedoch nach eigenem Ermessen von den Empfehlungen abweichen.

Das Register wurde vom Institut für Pharmakologie des Klinikums Bremen-Mitte (IPB) angelegt. „Die Arzneimittelpreise haben bei den Bewertungen keine Rolle gespielt“ sagt IPB-Leiter Bernd Mühlbauer. Ausschlaggebend sei allein der therapeutische Nutzen gewesen. „Viele neue Medikamente sind zwar erheblich teurer – bieten aber keinerlei Vorteil gegenüber bewährten Mitteln“, so Mühlbauer. Den therapeutischen Nutzen neuer Substanzen einzuschätzen, sei für niedergelassene Ärzte schwer. „Wir werten die relevanten wissenschaftlichen Studien aus und bieten so fundierte Orientierungshilfe“, sagt Mühlbauer.

Knapp 7.000 Wirkstoffe sind derzeit in Deutschland zugelassen, rund 300 davon haben es auf Mühlbauers Liste geschafft: „Damit decken wir die übergroße Mehrzahl aller Krankheitsfälle bei Allgemein- und Fachärzten ab.“ Lediglich besonders seltene Krankheiten und Substanzen, die nur in Spezialkliniken benötigt werden, berücksichtige das laufend aktualisierte Register nicht.

Je 10.000 Euro haben sich AOK, HKK und die Kassenärztliche Vereinigung das Register kosten lassen. Das Geld dürfte gut angelegt sein: Zusammen geben die beiden Kassen in Bremen etwa 40 Millionen Euro pro Jahr für Medikamente aus. 20 Arztpraxen nutzen das Register vom Start im Oktober an, weitere 40 haben nach Angaben von AOK-Sprecher Jörn Hons Interesse signalisiert. Als „Positivliste“ will Hons das Projekt nicht verstanden wissen: „Die Therapiefreiheit der Ärzte bleibt unangetastet. Trotzdem erwarten wir natürlich, dass die Praxen sich in der Regel auch an die Empfehlungen halten, wenn sie sich zur Teilnahme melden.“

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) hält nicht viel von der Empfehlungsliste. „Man kann die Präparate nicht alle über einen Kamm scheren“, sagt VfA-Sprecher Ralf-Thomas Hillebrand. Es sei methodisch fragwürdig, unterschiedlich angelegte Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten zu vergleichen und daraus Empfehlungen ableiten zu wollen. Zudem hemme es die Innovationsgeschwindigkeit, wenn an neue Präparate strengere Maßstäbe angelegt würden, als an bereits auf dem Markt eingeführte.

Mühlbauer lässt das nicht gelten: „Würden die Hersteller in der Entwicklungsphase nicht nur testen, ob ihre Mittel wirksamer sind als Placebos, sondern auch wirksamer als bewährte Mittel, dann gäbe es kein Problem“. Stattdessen werde versucht, nach der Zulassung geringere Wirksamkeit durch Marketing zu kompensieren.

Wenn es nach den Initiatoren geht, soll das Arzneimittelregister schon bald großflächig zum Einsatz kommen: „Unsere Intention ist, dass die Nutzung des Registers nicht auf Bremen beschränkt bleibt“, sagt Hons. Allerdings sollten zuerst die in Bremen gesammelten Erfahrungen ausgewertet werden. Mühlbauer hat größere Pläne: „Wir glauben, hier ein sehr belastbares mitteleuropäisches Register geschaffen zu haben.“