KOMMENTAR: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBERS SPD-PROGRAMM
: Viele bunte Kästchen

Wozu Politik? „Leben“, hat die SPD ihr Regierungsprogramm für die kommende Legislatur benannt, „arbeiten, lernen, wohnen“. Und drei Pünktchen dahinter gesetzt: Die Liste kann offenbar beliebig erweitert werden und ergänzt, durch andere Tätigkeiten, durch weitere Vitalfunktionen: funktionieren, atmen, wärmen, essen, scheißen, ficken … So eine Reihe ist per se unabschließbar, ganz wie nur das Papierformat die Zahl der das quadratische SPD-Logo farblich variierenden bunten Kästchen auf dem Programm-Cover begrenzt.

Die unendliche Reihe besagt: Die SPD ist gleichsam das multiple „Es“ des Stadtstaats, sie ist hier überall mit drin. Ihr Hauptanliegen ist folglich, dass sich daran wenigstens nichts ändert. Oder, wie SPD-Chef Reinken Es ausdrückt: „Weiter so muss ja nicht etwas Schlechtes sein.“ Da hat er Recht. Es wäre wirklich Sache der Opposition gewesen, die Unerträglichkeit des Weiter so zu belegen. Wenn aber keine widerstreitende Meinungen ihn konstituieren, schwindet der Raum, in dem sie sich artikulieren könnten, die Sphäre des Politischen selbst. Indikator ihrer Erosion ist die Wahlbeteiligung: Liegt die am 10. Mai über 50 Prozent, muss man sich angesichts der profilschwachen Programme noch freuen.