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Archiv-Artikel

Im Jüdischen Museum von Moskau

RUSSLAND Präsident Wladimir Putin gedenkt der Opfer des Faschismus, spricht von Scham und Feigheit und warnt vor Geschichtsklitterung

Immer wieder gebe es Versuche, Menschen nach ethnischer und religiöser Zugehörigkeit aufzuteilen

BERLIN taz | Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des einstigen NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz hat Russlands Präsident Wladimir Putin vor Geschichtsklitterung gewarnt. „Alle Versuche, diese Ereignisse zu verschweigen oder zu verzerren oder die Geschichte neu zu schreiben, sind nicht hinnehmbar und unmoralisch“, sagte Putin am Dienstag bei einer Gedenkfeier im Moskauer Jüdischen Museum und Zentrum für Toleranz. Oft verberge sich dahinter der Versuch, seine eigene Scham, Feigheit, Heuchelei und Verrat zu verstecken – genauso wie die Scham einer stillen, aktiven oder passiven Komplizenschaft mit den Faschisten. Putin würdigte auch den großen Beitrag des jüdischen Volkes im Kampf gegen den Faschismus. Eine halbe Million Juden hätten in der Roten Armee gekämpft, und fast 200.000 seien gefallen, sagte er. Mit dem Oberrabbiner Russlands, Berel Lazar, zündete er schwarze Kerzen an. An der Feier nahmen Veteranen und geistliche Würdenträger teil.

Dass Putin – anders als noch 2005 – nicht an den zentralen Gedenkfeierlichkeiten in Polen teilnahm, begründete der Kreml mit dem Fehlen einer offiziellen Einladung aus Warschau. Polens Regierung erklärte, sie habe überhaupt keine offiziellen Einladungen an Staats- und Regierungschefs verschickt.

Putin sagte am Dienstag auch, man müsse in die Zukunft schauen: „Die Gräueltaten des Holocaust dürften sich nicht wiederholen. Das ist die wichtigste Aufgabe für die ganze Weltgemeinschaft.“ Immer wieder gebe es Versuche, die Menschen nach ethnischer und religiöser Zugehörigkeit aufzuteilen. Dazu gehörten Antisemitismus, Russophobie sowie eine aggressive Intoleranz gegenüber anderen Völkern und Kulturen. Damals seien diese primitiven Instinkte von den Nazis ausgenutzt worden. Heute dienten sie als Waffe Nationalisten, Extremisten sowie Terroristen auf der ganzen Welt. „Die Geschichte zeigt“, sagte Putin, „bis an welchen schrecklichen Punkt Ansprüche auf die Weltherrschaft die Menschheit führen können. Und zu welchen Tragödien Versuche führen können, Druck auf souveräne Staaten ausüben zu wollen.“

In diesem Zusammenhang erwähnte Putin den aktuellen Krieg in der Ukraine, den er als Tragödie bezeichnete. So stürben Menschen im Donbass bereits seit Monaten im Kugelhagel. Wer dafür verantwortlich ist, sagte Putin nicht. Aber der Subtext war klar: Gemeint war natürlich die ukrainische Armee. (mit dpa)

DMITRY SHIGAEV