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Archiv-Artikel

Weltpremiere in der Wahlkabine

Erstmals soll in Hamburg ein deutscher Landtag mit Digitalem Wahlstift gewählt werden. Doch es gibt neue Bedenken über ein fälschungssicheres Ergebnis. Grüne und Chaos Computer Club befürchten Manipulationen

Für die BürgerInnen sei es „nicht mehr nachvollziehbar, was mit ihren Stimmen geschieht“, fürchtet Farid Müller, Verfassungsexperte der Hamburger Grünen. Selbst für Fachleute, ergänzt Jens Mücke vom Chaos Computer Club (CCC), „ist das hochkomplexe System nicht mehr durchschaubar“. Die Rede ist von der Ermittlung des Ergebnisses bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 24. Februar 2008. Dann nämlich kommt es im Stadtstaat an der Elbe zu einer „Weltpremiere“, wie Müller es nennt: Zum Kreuzchenmachen gibt es erstmals den „Digitalen Wahlstift“.

Der dürfe aber nur eine „technische Wahlhilfe“ sein, fordert Müller nun, „denn es gibt eklatante Sicherheitsmängel“. Rechtlich verbindlich für die Ermittlung des amtlichen Endergebnisses müsse deshalb die Auszählung der papierenen Wahlzettel bleiben, die digitale Zählung könne nur für das vorläufige Resultat am Wahlabend gelten.

Der Digitale Wahlstift wird den Wählern im Wahllokal in die Hand gedrückt. Er speichert das Kreuzchen auf dem Wahlzettel und überträgt dieses – anonym – an einer Lesestation in den Laptop des Wahlvorstandes. Der Wahlzettel wird, wie bisher, in die Urne geworfen. Ausgezählt werden soll aber nach Schließung der rund 1.300 Wahllokale um 18 Uhr nur das elektronisch gespeicherte Ergebnis: Auf Knopfdruck spuckt jeder Laptop das Resultat aus, und langes Warten und Bangen wird überflüssig. Binnen Minuten stehen Gewinner und Verlierer fest.

Soweit ist das unter den drei Fraktionen in der Bürgerschaft, der regierenden CDU und der rot-grünen Opposition, unstrittig. Nun aber glauben der Grüne Müller und Mücke vom CCC Sicherheitslücken entdeckt zu haben. Bei der Auszählungssoftware seien „Manipulationsmöglichkeiten nicht auszuschließen“, sagt Mücke. Das gelte auch für die Lesestationen, USB-Sticks und andere eingesetzte technische Komponenten. Bedenklich findet Mücke auch den Umgang mit Briefwahlstimmen: Dort sollen vom Wahlvorstand die Kreuze auf den Wahlzetteln mit dem Digitalstift „nachgemalt“ werden, um die Ergebnisse in den Laptop einlesen zu können.

Müller fordert nun, dass alle Wahlzettel in den Urnen vollständig ausgezählt werden. Bei Abweichungen zwischen der Handauszählung und dem digital ermittelten Resultat müsse das erstere verbindlich sein.

„Wir werden sehr sorgfältig hinschauen“, versichert dagegen Landeswahlleiter Willi Beiß. Er verweist darauf, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die gesamte Technik intensiv prüfen. Er erwarte für Ende Oktober die Zertifizierung. Zudem werde in jedem der 17 Wahlkreise in je einem Wahllokal eine Auszählung als Stichprobe durchgeführt. Wenn sich dabei strukturelle Abweichungen zum digital ermittelten Ergebnis ergäben, müsse eben alles nochmal von Hand gezählt werden.

„Abenteuerlich“ findet Kai Voet van Vormizeele Müllers und Mückes „Szenarien“. Der Verfassungsexperte der CDU hält daran fest, dass das digital ermittelte Ergebnis „Vorrang haben muss“. Es seid denn, der Landeswahlleiter ordne nachträglich eine Auszählung der Wahlzettel an. Dann gelte, „was auf dem Papier steht“. Sven-Michael Veit