: Die verkannte Seherin
Nun hat sie also auch ihren langen grünen Schal abgelegt. Nicht so überraschend verlässt Antje Hermenau nach der sächsischen Landtagsfraktion der Grünen im September 2014 nun auch die Partei. Die Wochenzeitung Die Zeit zitiert sie mit einem Satz, der wohl auch die letzten Sympathisanten nachträglich an ihr zweifeln lässt: „Mein Versuch, mich an die Grünen anzupassen, ist gescheitert.“
Anpassungsfähigkeit gehörte nun freilich nicht eben zu den Vorzügen der dominanten Frau, die es an Entschiedenheit und Schlagfertigkeit vor allem vom Rednerpult des Bundestages wie des Landtages nie fehlen ließ. Für Anpassungsfähigkeit an die CDU allerdings warb sie, und bei ihrem Abgang nennt sie den Hauptgrund des Zerwürfnisses mit der Landespartei noch einmal in aller Deutlichkeit. Ein schwarz-grünes Bündnis sei „für die Partei existenziell“.
Wenn sich die Grünen von der CDU nicht mehr Bodenständigkeit abschauen würden, könnten sie den Traum von der Volkspartei aufgeben. Auch die angebliche Umverteilungsmentalität anstelle solider Finanzpolitik prangert sie an.
Als die damals 26-jährige Sprachlehrerin 1990 in den Landtag einzog, machte sie sich als grüne Bildungspolitikerin schnell einen guten Namen. In den zehn Bundestagsjahren bis 2004 in Bonn und Berlin fuchste sich die Schnelldenkerin in die Finanzpolitik ein. Die blieb auch ihre Spezialität bei der anschließenden Rückkehr ins heimatliche Sachsen.
Den Grünen wollte sie nach der Mandatsniederlegung eigentlich treu bleiben. Im Frühjahr 2014 war Antje Hermenau noch in einer Art Burgfrieden zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl Ende August gewählt worden. Aber der Leipziger Parteitag Ende September offenbarte, wie schmal ihr Rückhalt im Landesverband und vor allem im gar nicht mehr heimischen Dresdner Kreisverband geworden war. Wie sie ihre Partei mit dem Rückzug düpierte und ihr Gestus als ewig verkannte Seherin, stießen auch Freunde vor den Kopf. Sympathien für Pegida – „das sind meine Leute“ – taten jetzt ein Übriges.
Nun hat sie noch mehr Zeit für ihren Sohn und für ihre Vorträge. Der erste Kommentar zum Grünen-Parteiaustritt kam übrigens von CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Er hofft, dass Hermenau „als ein streitbarer Geist für die sächsische Landespolitik erhalten bleibt“.
MICHAEL BARTSCH