: Brachiales subkommandieren
Wenn Kinder ihre Hautfarbe erklären müssen: Das Stück „schwarzweißLila“ von Volker Schmidt am Grips Theater liefert Erklärungshilfen
„Diese Lila muss man einfach auf der Bühne sehen!“, befand eine Jury im März dieses Jahres und kürte den Dramatiker Volker Schmidt zu einem der Sieger des „berliner kindertheaterpreis“. In der Jury des Nachwuchswettbewerbs, der zum ersten Mal ausgelobt worden war, saß unter anderem der Grips-Theater-Leiter Volker Ludwig.
Und prompt ist die besagte Lila in der Grips-Produktion „schwarzweißLila“ in der Schiller-Theater-Werkstatt zu sehen. Wer sie ist, darüber herrscht auch im Stück einige Verwirrung: So glaubt der Mechaniker Manfred zuerst, Lila sei keine Deutsche. Der Nachbarsjunge Dennis wiederum glaubt, Lilas Vater sei ein Häuptling. Und Dennis’ Vater ist überzeugt, dass Lila nicht der richtige Umgang für seinen Sohn sei.
All das, weil die elfjährige Lila eine deutsche Mutter und einen afrikanischen Vater und somit eine Hautfarbe hat, die Dennis als „Milchkaffee“ bezeichnet. Dass Lila ihn schlagfertig „Magerquark“ nennt, lässt er sich gern gefallen. Was sich liebt, das neckt sich eben, und dem schaut man auch in dem Stück von Schmidt gern zu. Herrlich, wie Dennis mit einem Basketball einen ungelenken Balztanz vollführt. Super, wie Lila ihrerseits den Jungen mit Sätzen wie „Ich subkommandiere brachial besser, als du in deiner Privatheit dir erträumen lässt“ beeindruckt.
Von Lilas roten Ringelsocken und dem braven Shirt mit Erdbeer-Aufdruck sollte man sich übrigens nicht täuschen lassen; sie liefert sich Wortgefechte mit allen, die ihr blöd kommen. Sei es Dennis, dessen Vater, der Mechaniker oder auch die eigene Mutter.
Der 27-jährigen Schauspielschülerin Dela Gakpo, die bisher vor allem in diversen No- und Low-Budget-Filmen mitgewirkt hat, ist es zu verdanken, dass unter all der Power auch Lilas eigentliche Unsicherheit deutlich wird. Auch sie müht sich, zu verstehen, wer sie eigentlich ist. Einmal gibt sie vor, von dem Geist eines afrikanischen Vorfahren besessen zu sein. Mit viel Humor und Leichtigkeit werden auf diese Weise stereotype Vorstellungen über afrikanischen Glauben parodiert. Dass Lila selbst es nur bedingt besser weiß, als die Klischees erzählen, und dies Wissen ihr fehlt, zeigt sich, als sie dem Gambier Basuro begegnet und ihn zu ihrem persönlichen Kundschafter über Afrika macht.
Ihre neugierigen Fragen unterscheiden sich kaum von denen ihrer Mitmenschen. In dem Stück geht es aber nicht nur ums Andersaussehen, Verliebtsein und Sichwehren. Auch Einsamsein und Auf-der-Suche-Sein werden thematisiert.
Denn Lila ist ohne ihren Vater aufgewachsen, der noch vor ihrer Geburt zurück nach Afrika ging. Da Lilas Mutter nichts über die Hintergründe des verschwundenen Vaters verrät, macht Lila sich kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Afrika – kommt aber nicht weiter als zum Bahnhof.
Nicht alles wird klar in der Inszenierung: So weiß der Zuschauer nicht genau, was der Sinn der Fabel ist, die Basuro bedeutungsvoll zu erzählen beginnt. Auch ist der Umgang mit einer an ein Haus gesprühten rassistischen Parole unbefriedigend – da wird einfach eine die Hauswand darstellende Jalousie hochgezogen – wir sehen das Problem und dann? Alle anderen Fäden werden aber zu Ende gesponnen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Plätze des um Zuschauer kämpfenden Grips Theaters regelmäßig so wie zur Premiere füllen – um diese Lila wäre es schade.
LENA HACH
Werkstatt des Schillertheaters, 27./28. Sept. um 11 Uhr, 30. Sept. um 16 Uhr