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Archiv-Artikel

Die Stunde der Pegida-Realos

TRENNUNG Das islamfeindliche Dresdner Bündnis spaltet sich. Neuer Verein unter René Jahn will Dialog mit Politik. Künftig zwei Montagsdemos?

„Wir wollen uns nicht totspazieren in den nächsten Monaten“

RENÉ JAHN, EX-PEGIDA-VIZE

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Der Mann in mittleren Jahren auf dem Podium der Sächsischen Landespressekonferenz sieht aus und ist gekleidet, als käme er eben mal von Arbeit rüber. „Hausmeisterservice Mittag“ steht auf dem Rücken seiner Jacke. Man hat René Jahn an den Montagen der vergangenen Wochen immer als Anmelder und Organisator der Dresdner Pegida-Demonstrationen am Lautsprecherwagen gesehen. Nicht als Einheizer, eher mit sachlichen Hinweisen. Am Mittwoch war er gekommen, um vor Journalisten die Spaltung des Pegida-Vereins zu erklären. Die bisherige Sprecherin Kathrin Oertel ist offenbar physisch und psychisch angeschlagen und hat diese Funktion abgegeben.

Jahn bestätigte die beiden wesentlichen Dissenspunkte, die zum Austritt der fünf maßgeblichen Aktiven aus dem zwölfköpfigen Organisationsteam und dem Verein geführt hatten. Wortführer Lutz Bachmann, der wegen der Enthüllungen seiner nazistischen Gesten und ausländerfeindlichen Äußerungen in der Vorwoche eigentlich vom Vorsitz zurückgetreten war, habe weiter die Fäden ziehen wollen. Jahn würde Bachmann übrigens „nicht als rechts oder Nazi“ einstufen wollen. Außerdem weigere sich der Leipziger Ableger Legida weiterhin, die gemäßigtere 6-Punkte-Agenda Dresdens zu übernehmen, sei „zu radikal“, sagt Jahn. Wie übrigens auch der in Leipzig lebende französische Gastredner Stephane Simon, den man in Dresden „niemals hätte sprechen lassen dürfen“, räumte Jahn Fehler ein. Auch über den gemäßigten Dresdner Kurs hat es beim Treffen der Pegida-Spitze am Dienstagabend offenbar Kontroversen gegeben.

Zahllose Anhänger hätten die Gruppe der fünf zum Weitermachen ermuntert, berichtete Jahn. Über 500 seien angeblich zum Eintritt in einen neuen Verein bereit, dessen Name nicht mehr auf „-gida“ enden solle. Die in der bisherigen Bezeichnung enthaltene Islamisierungsgefahr in Dresden machte Jahn „im Moment auch keine Sorge“.

„Was der Bürger nicht kennt, davor hat er Angst“, erklärte Jahn wie ein Politikwissenschaftler die Aufregung der Demonstranten bei nur 0,4 Prozent Muslimen in der Stadt.

Überhaupt fallen die moderaten Töne des Pegida-Mannes der ersten Stunde auf. Nur 2 bis 3 Prozent radikale Mitmarschierer sieht er, die man aber auch in den beiden gefährlichen Situationen bisher im Griff hatte. „Wir wollen die bürgerliche Mitte erreichen, weil wir wissen, dass Dresden eine sehr konservative Stadt ist“, nimmt er den Geist des angekündigten neuen Positionspapiers vorweg. Nicht nur die Mitte, auch ganz neue Bevölkerungsgruppen wie die in der DDR eingewanderten Mosambikaner. „Sprachrohr für die Nöte und Ängste“ wolle die Pegida-Mutation werden, erklärt René Jahn mit erstaunlicher Sicherheit auf dem ungewohnten Podium.

Und man beginnt offenbar zu begreifen, dass Meckern auf Demos nicht genügt, um etwas zu bewegen. Plötzlich will Pegida-Neu ebenfalls den Dialog mit der Politik und sogar mit den Medien suchen. Was das konkret heißt, war noch nicht zu hören, ein stärkeres Anbandeln mit der AfD jedenfalls nicht. Das Volksbegehren gegen die Polizeireform zum Beispiel soll tatsächlich gestartet werden.

Die Spaltung der Pegida-Bewegung hat zur Folge, dass nach einer Pause am kommenden Montag für den 9. Februar zwei konkurrierende Demonstrationen der bisherigen Klientel zu erwarten sind. Das muss in Zukunft nicht so bleiben. Wie schon Kathrin Oertel deutete Jahn eher politische Einflussversuche als fortgesetzte Demonstrationen an. „Wir wollen uns nicht totspazieren in den nächsten Monaten“, erklärte er der Presse.