: Körper als Waffe
POLITISCHER HIP-HOP In der Performance „Political Bodies“ auf Kampnagel treten Breakdancer und Rapper aus Dakar auf. Das Stück beschäftigt sich mit ihrem international beachteten Widerstand gegen korrupte Machthaber
VON KATRIN ULLMANN
Mit 1.200 Crews ist Dakar die afrikanische Hochburg des Hip-Hop. Lautstark begehrte hier vor vier Jahren die Bewegung „Y’en a Marre“ (Ich bin’s leid/Mir reicht’s) gegen politische Missstände auf. Die Protestwelle gab einer tiefen Enttäuschung über den damaligen Machthaber Abdoulaye Wade Ausdruck und weckte auch international das Interesse an der Szene der senegalesischen Hauptstadt.
Nun haben die Hamburger Choreografin Yolanda Gutiérrez und der Dramaturg Jens Dietrich über dieses politische Engagement einen Tanztheaterabend gemacht, der am Mittwoch auf Kampnagel Premiere hat. „Political Bodies“ heißt die Performance. Denn durch die Teilnahme zahlreicher Rapper und Breakdancer hatten die senegalesischen Proteste von Beginn an einen sehr körperlichen Charakter. „Die Körper sind neben der Sprache das Mittel, das man einsetzt, um politische Inhalte durchzusetzen“, erläutert Gutiérrez. „Und der Körper und die Massenchoreografie können sehr effektiv eingesetzt werden, um Ziele zu erreichen.“
Während eines Residenzprogramms in der Ecole des Sables nahe Dakar hatte die Choreografin einige Breakdancer aus dem Umfeld der Protestbewegung kennengelernt und war von deren Ansatz, Protest und Kunst zu verbinden, fasziniert. Den ersten Impuls für diese Arbeit gaben sie.
Für „Political Bodies“ arbeiten Gutiérrez und Dietrich zum ersten Mal zusammen. Und sie ergänzen sich gut: die in Hamburg lebende mexikanische Choreografin, die oft tanzfremde Genres – Video, Sprache, Wrestling und Catching – in ihre Performances integriert und Dietrich, der als Dramaturg und Produzent etwa bei „Hate Radio“ (Regie: Milo Rau) beteiligt war, einer düster-dokumentarischen Arbeit über den Völkermord in Ruanda.
Gegen einen unfähigen Machthaber richtete sich der Protest der „Y’en a Marre“. Gegen jemand, der einst für viele ein Hoffnungsträger war und seit seiner Wahl 2000 weder die wirtschaftlichen Probleme des Landes anging noch Auswege aus Armut und Arbeitslosigkeit suchte. Trotz zunehmender Widerstände trat Abdoulaye Wade zunächst nicht zurück. Für seine letzte Kandidatur 2011, Wade war bereits 85 Jahre alt, wollte er die Verfassung ändern lassen, um eine nicht zugelassene dritte Amtszeit zu erreichen und die Wahl gegebenenfalls mit nur 25 Prozent der Wählerstimmen zu gewinnen.
Der 23. Juni 2011 war ein grausamer Tag in Senegals Geschichte. Für „Y’en a Marre“ begann an diesem Tag der Kampf gegen Wade und seine Regierung. Zehntausende demonstrierten. Brutal wurden die Proteste mit Tränengas und Wasserwerfen niedergeschlagen. Einige Demonstranten wurden getötet, andere verhaftet. Darunter auch Thiat, einer der Gründer von „Y’en a Marre“.
Im März 2012 wurde Wade nicht wiedergewählt. „Aber auch der neue Präsident Macky Sall wird sehr kritisch beäugt“, sagt Gutiérrez. „Und natürlich sind die Leute stolz, dass sie sich durchgesetzt haben. Es ist die Stimmung, dass wenn irgendwas schief läuft, Korruption oder ein Skandal passiert, dass die Leute wieder auf die Straße gehen.“
In „Political Bodies“ – die Proben fanden größtenteils im Senegal statt – werden der afroamerikanische DJ Zen Jefferson sowie ein senegalesischer Musiker und fünf senegalesische Breakdancer den energievollen Abend gestalten. Doch wenn fünf Breakdancer die Halle K2 auf Kampnagel beleben, wird nicht nur große Artistik geboten: „Mir ging’s nie um bloß das Zeigen von dem, was die Jungs können. Wir haben zusammen an den Inhalten gearbeitet, da waren die Tänzer in den Improvisationen überhaupt nicht auf B-Boying limitiert“, erklärt Gutiérrez. Zur politischen Bedeutung des afrikanischen HipHop findet am 6. und 7. Februar auf Kampagel ein Symposium statt.
Nach Meinung der Theatermacher könnten wir vom Senegal viel lernen. „Senegal ist ein Land im Umbruch“, sagt Dietrich. „In Deutschland und Europa verändern sich gerade mindestens ebenso viele Dinge, nur schaut man ängstlich und pessimistisch auf die anstehenden Veränderungen“, sagt er. Noch ist eine solche kreative Protestkultur hierzulande nicht in Sicht. Aber, da ist sich Dietrich ganz sicher: „Sie kommt bestimmt.“
■ Premiere: Mi, 4. 2., 19.30 Uhr, Kampnagel. Weitere Aufführungen: Do, 5. 2., Fr, 6. 2., Sa, 7. 2., je 19.30 Uhr