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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Das Ende der Körperpanzer

Was sagt uns das? Dem neoliberalen Revoluzzer Jogi Löw ist es gelungen: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist endlich durchmodernisiert

Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man behauptet, dass gerade eine kopernikanische Revolution im deutschen Fußball zu Ende gegangen ist. Endgültig unterlegen ist jene Fraktion, die den Fußball hierzulande jahrzehntelang unterjocht und ideologisch verbogen hat. Die deutschen Fußballer verstanden sich ja per Naturgesetz aufs Grätschen, Kämpfen und Laufen. Hinten hatte ein Mann zu stehen, der titanenhaft nach den Bällen griff. Die deutschen Tugenden wurden diesen Spielern so lange eingebläut, bis die armen Fußballer gar nicht mehr anders konnten, als daran zu glauben. Grundlage dieser Lektion war ein Missverständnis: „Wir sind den großen Fußballnationen wie Brasilien eh spielerisch unterlegen, also müssen wir andere Dinge in die Waagschale werfen.“ Wenn von der DFB-Elf die Rede war, dann durften Begriffe wie „Panzer“, „Abwehrbollwerk“ oder „Turniermannschaft“ nicht fehlen.

Wer heute, vor allem nach der perfekten EM-Qualifikation des Teams mit zehn Siegen aus zehn Partien noch diese Begriffe benutzt, würde sich lächerlich machen. Die Mannschaft hat sich so gründlich ihrer Vergangenheit entledigt, dass man ins Staunen kommt. „Leichtfüßig“, „cool wie James Dean“ (Spiegel Online) und „extrem spielstark“ sind Jogis Kicker jetzt in den Augen der Kritiker. Wer ein Sonderlob los werden möchte, der schreibt, die DFB-Elf spiele „brasilianisch“. Aber auch das ist schon ein alter Hut, denn die Brasilianer wurden ja unlängst in einer Art und Weise besiegt, als hätte es obiges Diktum nie gegeben. Dabei hat Joachim Löw nichts anderes gemacht, als dem Fußball ein neoliberales Gepräge zu verpassen: Er will das Beste herausholen, mit dem neuesten Know-how am Erfolg arbeiten und das Team über den Einzelnen stellen. Präpotente Stars und Quertreiber haben keine Chance mehr in der Löw’schen Fußballeffizienzmaschine. Mit den Mitteln der Wirtschaft den Fußball modernisieren – das ist das Werk des Revoluzzers Löw. MARKUS VÖLKER