urdrüs kolumne : Naumann ist kein Kuddel
Gestern riefen die norddeutschen Kaffeekönige zum „Tag des Kaffees“ – parallel dazu gab es den „Tag des Flüchtling“. In der globalisierten Welt hängt eben alles mit allem zusammen …
Dass Heuschrecken so richtig fiesemiese sein können, mussten jetzt die Mieter der ehemals landeseigenen Nileg in Hannover erfahren. Der US-Immobilienfonds Fortress hat die von den Mietern gezahlten Energiekosten über viele Wochen nicht weitergeleitet und die Stadtwerke sperrten daraufhin den Bewohnern Strom und Wasser. Inzwischen wurde die Forderung allerdings beglichen. Durch Boten der Hausverwaltung in bar und vermutlich in nicht registrierten Banknoten, wie im syndikatsinternen Zahlungsverkehr üblich.
Und jetzt alle: „Wir lieben nicht Geschnickel / und stehn für Rudolf Hickel!“ Der Bremer Wirtschaftsweise forderte in der Arbeitnehmerkammer Maßnahmen gegen unkontrollierten Wildwuchs bei der Arbeitszeit: „Mehr zu arbeiten bei gleichem Lohn ist auch nicht sinnvoll!“ Schreibt die Parole an jede Wand – oder gebt sie handschriftlich auf kleinen Scheinen weiter …
Warum machen Menschen sowas? Mit 70 hat man es doch nicht mehr nötig, sich bei den Triathlon-Weltmeisterschaften lächerlich und womöglich sogar strafbar zu machen – wie jener Senior aus Fehmarn, der kürzlich für seine Silbermedaille beim Radeln und Laufen durch Hamburg eigenmächtig die Strecke verkürzte. Wer gar goldige Medaillen für fast alle Sportarten haben möchte: Im Sonderpostenladen ist son Gedöns doch schon für ein paar Euro zu haben! Im Notfall helfe ich auch als Festredner bei der schön inszenierten Siegerehrung aus!
Wie der sonst so smart posierende Hamburger Bildungsbürger Michael Naumann jetzt mit lokalpatriotisch verziertem Kaffeepott als Karikatur des Gelegenheitsarbeiters Kuddel vom früheren Sklavenmarkt am Hafen von den SPD-Wahlplakaten glotzt, darf als Beitrag zu unserem Kampf für mehr Misstrauen gegenüber allen gelten, die uns von oben herab sagen wollen, wo es lang geht. Im Grunde sind ja die meisten Werbeknechte subversive Anarchisten …
Beim Bettlerbankett in der Bremer Immanuelgemeinde werde ich am Sonntag ab 11 Uhr wider die Armutsproduzenten hasspredigen – und dabei unbedingt jenen plietschen Kleingeldsammler vom Domshof zitieren, der mir im Gespräch über Fußball, Bahnpreise und die von ihm heftig verteidigte Notwendigkeit von Mehrsparten-Theatern erklärte: „Eigentlich sollte uns Arme die Schulverwaltung bezahlen, weil wir den Kindern klarmachen können, was bei rauskommt, wenn man sich nicht beizeiten mit dieser Welt arrangiert. Stimmt zwar so auch nicht, aber ist doch als Ideologie ganz tauglich, jedenfalls bis mal die Revolution kommt!“
Von der Hoffnung darauf derzeit allzu weit entfernt zu sein, bekennt höchst ungern ULRICH „Amos“ REINEKING
ULRICH REINEKING, Journalist, Kabarettist und gelegentlicher Hassprediger, verbittet sich Einladungen zum Seniorensport.