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Archiv-Artikel

Neue Stromtrassen für den Norden

Der steigende Anteil von Strom aus Windkraftanlagen macht einen Umbau des Stromnetzes nötig. Eine Verstärkung bestehender Trassen reicht dafür nicht immer aus. Vattenfall und Eon planen deshalb neue Hochspannungsleitungen

Ein Zukunftsprojekt

Mit dem Umbau des Stromnetzes will die Bundesregierung das Land auf eine CO2-arme und nuklearfreie Zukunft einstellen. Außerdem reagiert sie auf den Stromhandel, der ebenfalls zusätzliche Transportstrecken nötig macht. Besonders der Windstrom – verstärkt dann, wenn die ersten Anlagen auf hoher See (Offshore) ans Netz gehen – sorgt für Transportbedarf. Denn der Windstrom muss abgenommen werden, wenn er verfügbar ist. Können die Küstenländer nicht genug davon abnehmen, muss er weiter ins Binnenland geschickt werden, wo große Abnehmer mit wenig eigener Windenergie warten. Der Ausbau der Windenergie kann nach Angaben der Deutschen Energieagentur (Dena) den Kohlendioxidausstoß um etwa 20 bis 40 Millionen Tonnen senken. Der dafür nötige Neubau und die Verstärkung der Leitungen wird rund 1,1 Milliarden Euro kosten. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Die Stromnetzbetreiber Vattenfall und Eon planen hunderte Kilometer neuer Stromleitungen. Einer Studie der Deutschen Energieagentur (Dena-Netzstudie) zufolge sind sie notwendig, um die viele Windenergie, die vor allem in den Küstenländern und auf See erzeugt wird, dorthin zu transportieren, wo sie gebraucht wird. Im Norden sollen bis 2015 mindestens vier längere Höchstspannungs- und drei Hochspannungsleitungen neu gebaut werden. Überdies werden bestehende Trassen verstärkt.

Die Dena hatte untersucht, wie das Stromnetz umgebaut werden muss, um bis 2015 oder 2020 einen Anteil Erneuerbarer Energien von 20 Prozent am deutschen Stromverbrauch zu ermöglichen. Heute sind es rund zwölf Prozent. 400 Kilometer Höchstspannungsleitungen (380 oder 220 Kilovolt) müssten ausgebaut und 850 Kilometer neu errichtet werden, hieß es in der Anfang 2005 erschienenen Studie. Der Verband der Netzbetreiber (VDN) vermutet eine noch schnellere Entwicklung. Im Oktober 2006 vermutete er, dass Strom aus Wind, Wasser und Sonne bereits 2012 die 20-Prozent-Marke erreichen würde.

Die Netzbetreiber arbeiten deshalb mit Nachdruck an den Plänen für neue Leitungen. Vattenfall plant eine Windsammelschiene zwischen Schwerin und Geesthacht. Sie soll den Windstrom aus Mecklenburg-Vorpommern abtransportieren, das schwankende Windstromangebot zwischen Nord- und Ostsee ausgleichen und die Versorgungssicherheit Mecklenburg-Vorpommerns erhöhen. Bei Schwankungen im Windstromangebot könne überdies das Pumpspeicherwerk Geesthacht leichter genutzt werden.

Rund 93 Millionen Euro will Vattenfall nach eigenen Angaben in die 75 Kilometer lange Verbindung investieren, die bis zum Jahresende stehen soll. Die Trasse verläuft zum größten Teil entlang der Autobahn 24 Berlin – Hamburg. Von Schwerin aus trifft sie die Autobahn bei Hagenow. In Schleswig-Holstein schwenkt sie bei Talkau von der Autobahn ab, um an Schwarzenbek und Gülzow vorbei Krümmel zu erreichen.

Nördlich von Hamburg sucht Eon nach einer Trasse für eine 380-Kilovolt-Leitung von Schacht-Audorf bei Rendsburg zum Nordrand Hamburgs. Von dort führt eine 220-kV-Leitung südlich an Quickborn und Uetersen vorbeit nach Dollern im Alten Land, die durch eine 380-kV-Leitung ersetzt werden soll. Derzeit wird das Planfeststellungsverfahren vorbereitet.

Von Ganderkesee südwestlich von Bremen will Vattenfall eine 380-kV-Leitung nach St. Hülfe bei Diepholz bauen. In einem Raumordnungsverfahren wurde ein 100 bis 200 Meter breiter Korridor für die Leitung festgelegt. Jetzt arbeiten die Planer einen genauen Linienvorschlag aus. Anfang 2008 soll nach Auskunft von Eon das Planfeststellungsverfahren beginnen.

Eon möchte eine konventionelle Freileitung an hohen Masten bauen. Bei Höchstspannungskabeln seien Freileitungen Standard, sagt Eon-Sprecherin Joelle Bouillon. „Ein Erdkabel wäre auf dieser Strecke viermal so teuer“, schätzt Bouillon. Dabei wäre das Terrain noch vergleichsweise gut für ein Erdkabel geeignet.

Eine weitere 380-kV-Freileitung plant Eon von Diele bei Papenburg entlang der deutsch-niederländischen Grenze nach Meppen. Im November treffen sich die Vertreter des Netzbetreibers mit den Leuten von der Raumordnungsbehörde und der betroffenen Kommunen, um das ein Raumordnungsverfahren vorzubereiten, in dem die grobe Trasse festgelegt werden soll. Das Raumordnungsverfahren soll dann im kommenden Jahr stattfinden.

Mit 190 Kilometern die längste Höchstspannungsleitung will Eon von Wahle bei Braunschweig nach Mecklar in der Nähe von Kassel errichten. Sie würde über weite Strecken der Autobahn 7 folgen. Ein Raumordnungsverfahren wird vorbereitet.

Zu diesen Höchstspannungsprojekten kommen drei Hochspannungsleitungen mit 110 Kilovolt von Brekum nach Flensburg, von Heide nach Pöschendorf und von Lübeck nach Göhl. Außerdem hat Eon angekündigt, 300 Millionen Euro in den Anschluss mehrerer kommerzieller Offshore-Windparks zu investieren. Mit dem Geld solle eine 200 Kilometer lange Verbindung von den Windparks des Clusters Borkum 2 über Norderney nach Diele geschaffen werden.

Weil trotz der laufenden Projekte die Zeit drängt, will Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) den Bau von Freileitungen beschleunigen. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung will Glos das Planungsrecht vereinfachen und den Rechtsweg verkürzen. Als besonders wichtig erachtete Vorhaben sollen ähnlich wie beim Fernstraßenbau als Gesetze beschlossen werden.