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Archiv-Artikel

Die Party ist vorbei

KONJUNKTUR Die Wirtschaft wächst 2012 nur noch um 0,8 Prozent, sagen führende Institute voraus. Die Steuereinnahmen fallen geringer aus, aber die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig

Das Misstrauen der Märkte hat die Politik nicht in den Griff bekommen

AUS BERLIN BRITTA VELTZKE

Die Zeichen stehen auf Abschwung – das geht aus der Herbstdiagnose zur Lage der deutschen Wirtschaft hervor, die am Donnerstag in Berlin präsentiert wurde. „Europäische Schuldenkrise belastet deutsche Konjunktur“, wählten die Wirtschaftsinstitute als Überschrift für ihre Diagnose, die jährlich von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wird. Statt um 2,0 Prozent, wie noch im Frühjahr erwartet, wächst die deutsche Wirtschaft 2012 demnach nur noch um 0,8 Prozent. In diesem Jahr liegt das erwartete Wachstum noch bei 2,9 Prozent.

„Die deutsche Wirtschaftspolitik hat es nicht geschafft, das Misstrauen auf den Finanzmärkten in den Griff zu bekommen“, sagte Torsten Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Unsicherheit ginge zulasten der Kauflust und des Investitionsvolumens. Wichtige Handelspartner Deutschlands sparen wegen der Schuldenkrisen, was sich negativ auf den Export auswirkt.

Die Prognose dient als Grundlage für die Steuerschätzung, und die dürfte dementsprechend schlechter ausfallen: Durch das geringere Wachstum muss die Regierung im nächsten Jahr mit mindestens 5 Milliarden Euro weniger auskommen als im Frühjahr geplant. Auf den Arbeitsmarkt schlägt der Rückgang vorerst hingegen nicht durch: Die Arbeitslosenquote wird nach Ansicht der Forscher 2011 weiter sinken, von 7,0 auf 6,7 Prozent.

Eine Rezession, ein Schrumpfen der Wirtschaft über zwei Quartale, erwarten die Institute nicht. Lediglich im letzten Quartal 2011 sei ein Rückgang um 0,2 Prozent zu erwarten; in der zweiten Jahreshälfte 2012 sei hingegen wieder mit einem Aufschwung zu rechnen.

Hier unterscheiden sich die Institute, die die Gemeinschaftsdiagnose erstellen, vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie, das seit 2010 nicht mehr an den offiziellen Gutachten beteiligt ist.

„Die Herbstdiagnose ist optimistischer – schon ab der zweiten Jahreshälfte wird darin wieder mit Aufschwung gerechnet, weil die anderen Institute nur von einer kurzen wirtschaftlichen Atempause in China, Brasilien und Russland ausgehen“, sagte IMK-Analyst Peter Holfeld der taz. Das IMK hingegen geht von durchgängiger Stagnation im nächsten Jahr aus.

Uneinigkeit besteht des Weiteren in Bezug auf die Finanztransaktionsteuer. Während die Herbstdiagnostiker die Steuer ablehnen, spricht sich das IMK in aller Deutlichkeit dafür aus: „Die Steuer verhindert kurzfristige Spekulationen und minimiert die Schwankungen auf den Finanzmärkten“. Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung meint hingegen, dass eine Besteuerung nicht die gewünschte Stabilität schaffen könne und sich negativ auf die Effizienz der Märkte auswirke.