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Archiv-Artikel

Der stille Sizilianer

In Erinnerung blieb Sergio Mattarella, weil er die Wehrpflicht abschaffte

Grau“, „verschlossen“, „wortkarg“ – diese Adjektive beherrschen alle Beschreibungen des neuen Präsidenten, der seit 2011 Verfassungsrichter war und als das gerade Gegenteil des fulminanten Ministerpräsidenten Matteo Renzi erscheint.

Groß wurde der aus Palermo stammende Sergio Mattarella in der sizilianischen Christdemokratie, in der schon sein im Ruch guter Mafia-Kontakte stehender Vater Bernardo einer der Strippenzieher war. Eigentlich wollte der Sohn, der in Palermo als Juraprofessor lehrte, gar nicht in die Politik; dort wirkte schon der ältere Bruder Piersanti, der es zum Präsidenten der Region Sizilien brachte. Doch Piersanti, der einen entschlossenen Anti-Mafia-Kurs verfolgte, wurde 1980 von der Cosa Nostra umgebracht; sein Bruder Sergio zog den Sterbenden aus dem Auto – und entschloss sich, in seine politischen Fußstapfen zu treten.

Seit 1983 im Parlament, wurde er 1987 Minister. Im linken Flügel der Democrazia Cristiana (DC) beheimatet, bewies er schnell, dass er über Rückgrat verfügte. Als 1990 die Regierung unter Giulio Andreotti ein Berlusconi-freundliches Mediengesetz durchpeitschte, legte Mattarella aus Protest sein Amt als Unterrichtsminister nieder. Als Silvio Berlusconi 1994 selbst in die Politik ging, gehörte Mattarella zu jenen aus der zerfallenden DC, die in Gegnerschaft zu dem Medienmogul die Allianz mit der italienischen Linken suchten. In den Jahren 1998–2001 wirkte Mattarella in den Mitte-links-Regierungen als stellvertretender Ministerpräsident und Verteidigungsminister; in Erinnerung blieb er vor allem, weil er die Wehrpflicht abschaffte.

Nach seinem Rückzug aus dem Parlament im Jahr 2008 wirkte er im Verfassungsgericht auf die ihm liebste Art weiter: im Stillen. Jetzt aber steht der immer ernst dreinblickende Mann mit dem schlohweißen Schopf für die nächsten sieben Jahre im Rampenlicht. MICHAEL BRAUN