Polens erste Marschallin

Eiserne Ladys“ werden normalerweise erfolgreiche Frauen in der Politik genannt. Ewa Kopacz, 54, die bisherige Gesundheitsministerin Polens, musste sich schon den Beinamen „Panzer“ gefallen lassen. Nun soll sie Parlamentspräsidentin Polens werden. Es wäre das erste Mal in der fast 500-jährigen Geschichte des Sejms, des polnischen Abgeordnetenhauses, dass eine Frau den Posten des Sejm-Marschalls bekleidet. Donald Tusk, Polens bisheriger und künftige Premier, will damit sein Wahlversprechen einlösen, den Frauen in der Politik ein größeres Mitspracherecht zu geben.

Kopacz wurde 1956 in Skaryszew, einer Stadt südöstlich von Warschau, geboren. Sie studierte Medizin im nahegelegenen Lublin, übernahm die Leitung eines Gesundheitszentrums in ihrer Heimatstadt und begann sich politisch für die liberalkonservative Bürgerplattform zu engagieren. Als sie 2007 Gesundheitsministerin wurde, fand sie nicht nur ein überschuldetes und korruptes Gesundheitssystem vor, sie musste auch entscheiden, ob sie Millionen Zloty für einen Impfstoff gegen die Schweinegrippe ausgeben wollte. Kopacz entschied sich als einzige Gesundheitsministerin Europas dagegen, musste viel Kritik einstecken, behielt am Ende aber Recht mit ihrer Diagnose. Die Schweinegrippe verlief glimpflicher als jede „normale“ Grippe.

Als sie die künstliche Befruchtung im Reagenzglas als Behandlungsmethode für kinderlose Paare empfahl und ins Leistungsprogramm des Nationalen Gesundheitsfonds aufnehmen wollte, drohten ihr katholische Bischöfe mit der Exkommunikation. Kopacz hielt den Anfeindungen stand, was ihr den Beinamen „Panzer“ eintrug.

Im April 2010, nach dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine im westrussischen Smolensk, flog sie als Ärztin und Pathologin sofort nach Moskau, half bei der Identifizierung der Leichen und stand den Angehörigen der Opfer bei. Viele Polen rechnen ihr das bis heute hoch an. Auch dass sie nie großes Aufhebens von dieser schwierigen Mission gemacht hat. Niemand nannte die stille Heldin von Smolensk damals „eisern“ oder „Panzer“. Denn sie hätte dies nicht tun müssen. Nicht um der Karriere willen. GABRIELE LESSER