: Jahrelange U-Haft wegen Richtermangel
Weil das Landgericht Hannover zu wenig Richter hat, sitzen zwei Angeklagte bereits seit über zwei Jahren in U-Haft. Das Bundesverfassungsgericht fordert, sie wieder freizulassen, sollte der Fall nicht schneller bearbeitet werden
Das Landgericht Hannover hat sich eine Rüge des Bundesverfassungsgerichtes eingehandelt. Weil das Gericht über zu wenig Richter verfügt, sitzen zwei Albaner, die des Kokainhandels beschuldigt werden, bereits seit mehr als zwei Jahren in U-Haft. Seit Oktober 2005 wird der Fall mit durchschnittlich zwei Terminen im Monat verhandelt.
Für ein Verfahren dieses Umfanges seien zwei Termine pro Woche angemessen, teilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag mit. Das Landgericht Hannover habe aber für Oktober nur einen, für den ganzen November vier Verhandlungstermine angesetzt. Der Haftbefehl sei unverzüglich aufzuheben, wenn das Gericht nicht künftig vermehrt verhandele, sagte das Bundesverfassungsgericht.
„Die Richter am Landgericht Hannover haben bereits eine enorme Arbeitsbelastung, weil sie sich mit überdurchschnittlich vielen zeitaufwändigen Haftsachen beschäftigen“, sagt Stephanie Springer, Sprecherin des Oberlandesgerichtes (OLG) Niedersachsen. Der Angeklagte jedoch „hat es nicht zu vertreten, wenn seine Haftsache nicht binnen angemessener Zeit zum Abschluss gelangt, nur weil der Staat die Justiz nicht mit dem erforderlichen richterlichen Personal ausstattet“, teilte das Bundesverfassungsgericht mit.
Das ist nicht der erste Fall dieser Art in Hannover. Bereits im September musste ein als gefährlich eingestufter Sexualstraftäter freigelassen werden, weil aus Zeitmangel erst im Januar mit dem Prozess begonnen werden kann. „Er zeigt sich sehr kooperativ“, sagt Springer. Die Justiz habe Möglichkeiten, auch ohne U-Haft in Kontakt mit dem Angeklagten zu bleiben, beispielsweise über eine tägliche Meldung bei der Polizei. Dass der Angeklagte wieder eine Straftat begeht, kann man damit nicht verhindern. „Doch uns ist natürlich daran gelegen, den ‚worst case‘ zu verhindern“, sagt Springer.
Bereits Anfang des Jahres habe man dem Landgericht Hannover neue Richterstellen zugeteilt, sagt die Sprecherin, das OLG sei davon ausgegangen, dass das ausreicht. Nun hat das Oberlandesgericht Niedersachsen zweieinhalb neue Stellen vorgesehen. „Die Kassen sind knapp, aber man kann eben nicht unendlich sparen“, sagt Springer. STEFANIE HELBIG