THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Dieses Buch wurde kurz nach der Wende zu einer Art Science-Fiction-Lektüre mit Back-to-the-Future-Appeal. Dabei war es auch damals schon hundert Jahre alt: Theodor Fontanes berühmte „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ nämlich. Allerdings galt das nur für den Westen, wo man die Mark Brandenburg bis 1989 allerhöchstens auf der Transitstrecke mir dem Auto durchqueren konnte. In den Jahren nach dem Fall der Mauer war das zwischen 1862 und 1889 geschriebene Buch dann eine Art Kompendium zur langsamen Wiederentdeckung einer lange verlorenen Landschaft. Aber auch das ist inzwischen wieder furchtbar lange her und fast schon nicht mehr wahr. Zeit also zur Wiedervorlage des Werkes im Ballhaus Ost. Dort haben Johannes Kraak und Daniel Schrader, kurz: Schraak, Fontanes Buch wiedergelesen und zur Grundlage einer Studie „über vertikale und horizontale Wanderbewegungen, eine kartografische Vermutung über Selbst- und Weltbilder und einen Spaziergang in den Stillstand“ gemacht. So versucht uns zumindest die Ankündigungsprosa den Abend schmackhaft zu machen. Wer das jetzt nicht verstanden hat, muss halt selber gucken gehen (Ballhaus Ost: „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, 7., 8. nnd 11. 2., jeweils 20 Uhr).

Ziemlich unmissverständlich ist das Anliegen von Shakespeares blutrünstigem König Richard III., nämlich zu ermorden, wer seinen Interessen im Wege steht. Zwar haben jüngere Studien ergeben, dass dieser Richard im Grunde ein ganz netter Kerl gewesen ist und die Gräuel ihm von seinen Feinden nur angedichtet wurden. Gott sei Dank hat Shakespeare noch nichts davon gewusst. Sonst könnte jetzt der Spezialist für Fieslinge und arme Schweine, Lars Eidinger, diesen Richard nicht spielen – Lars Eidinger, der so herzzerreißend wild und irre blicken kann, dass man noch in der letzten Reihe zittert. Am 7. Februar hat das Stück in der Schaubühne Premiere, in der Regie von Thomas Ostermeier (Schaubühne: „Richard III.“, Premiere 7. 2., 19.30 Uhr).

Ja, und dann wäre da noch die seltsame und unbegreifliche Parallelwelt, in die eines Tages das Mädchen Alice in dem berühmten Roman von Lewis Carroll stürzt. Alle Gesetze der Physik und auch sonst sind aufgehoben. Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen und Alice ist seltsamen Situationen und Prüfungen ausgesetzt. Die Regisseurin Nora Schlocker hat den Stoff nun einem Abend über das Erwachsenwerden zugrunde gelegt, den sie mit 16 Kindern und Jugendlichen zwischen 9 und 19 Jahren für das Junge DT erarbeitet hat (Deutsches Theater: „Alice“, Premiere 8. 2., 19 Uhr.)