HAMBURGER SZENE VON PETRA SCHELLEN: Dumpfbeutel im Zug
Fensterplatz ist out. Jedenfalls wenn man Zug fährt und eine Strecke von mehr als 30 Minuten vor sich hat. Denn was nützt einem die Aussicht auf Hamburgs Hafen, wenn sich nebenan ein fettleibiger Koloss breitmacht, der überdies nicht einsieht, dass er die Armlehne teilen soll?
Das kann auf der vierstündigen Strecke Hamburg – Köln schon recht ungemütlich werden, und mehr als einmal habe ich auf solchen Reisen einen beißenden Hass auf mir völlig Unbekannte entwickelt.
Gut gelaunt ob meiner neuen Nur-Noch-Gangplatz-Strategie steuerte ich also jüngst im Hamburger Hauptbahnhof meinen reservierten Sitz an, fläzte mich lässig neben die bescheiden ans Fenster gequetschte Dame. Entspannt erläuterte ich ihr meine Philosophie.
Sie schien beeindruckt. Bis sich ein korpulenter Herr näherte. Genau auf meiner Höhe begann er umständlich mit seinem Rucksack zu hantieren und hängte mir recht ungraziös sein Hinterteil in den Krimi. Später rammte er noch meine Schulter, bevor er sich setzte. „Sehen Sie“, sagte ich zur Nachbarin, „diese Sorte meinte ich.“ „Ja“, grinste sie, „aber eigentlich nützt Ihnen Ihr Konzept jetzt auch nix.“
Das stimmte. Ändern werde ich es aber nicht: Denn immerhin haben wir noch lange gelacht. Der Typ merkte nix und schaute dumpf.
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