: Der katzenhafte Blick
UNTERHALTSAM Angelina Maccarones gelungenes Filmporträt „Charlotte Rampling – The Look“
Kann man sich Schauspielerporträts anders vorstellen als in Form der „Homestory“? Die Gestalt, die man von der Leinwand als glamouröse Präsenz kennt, wird auf Alltagsniveau gebracht. In den Medien, die sich für seriös halten, geschieht das meist dadurch, dass das gemeinsame Kaffeetrinken mit dem Star beschrieben wird. Die anderen, die unseriösen, sind beherzter und dringen in die Küchen und Schlafzimmer vor. Als Einstieg dient in beiden Fällen bevorzugt ein Skandal. Im Fall von Charlotte Rampling wäre das zum Beispiel die tragische Familiengeschichte mit der Schwester Sarah, die sich mit 23 das Leben nahm, was jedoch der Mutter bis zu deren Tod verheimlicht werden musste. Oder, mehr werkbezogen, Ramplings Rolle in Liliana Cavanis „Nachtportier“ (1974), wo sie als ehemalige KZ-Insassin nach dem Krieg ein sadomasochistisches Verhältnis mit ihrem ehemaligen, von Dirk Bogarde gespielten Aufseher beginnt. Oder auch der seinerzeit sehr viel Aufsehen erregende Film von Nagisa Oshima „Max, mon amour“ (1986), in dem sie sich einen Schimpansen als Liebhaber nimmt. Ihre Standardantwort, wenn man sie nach dieser Erfahrung fragt, lautet übrigens: Mit einem Affen vor der Kamera zu stehen sei nicht viel anders als mit Paul Newman.
Angelina Maccarone („Fremde Haut“, „Vivere“) setzt für ihr Charlotte-Rampling-Porträt „The Look“ nun alles daran, nicht in diese „Homestory“-Falle mit ihrer Pseudoentlarvungsgeste von „Ich zeige euch die Frau hinter der Leinwand“ zu tappen. Um solch falsche Intimität gar nicht erst aufkommen zu lassen, filmt Maccarone Rampling nicht im Exklusivgespräch, sondern in der Begegnung mit einigen ausgesuchten Weggefährten, Bekannten und Verwandten. In der ersten Sequenz etwa sieht man Rampling im Atelier des Fotografen Peter Lindbergh, und aus ihrem launigen Gespräch heraus ergibt sich ein recht ungewöhnlicher Einstieg in das Porträt einer Schauspielerin, die bei allem Mut, viel Haut zu zeigen, eine Aura von Unnahbarkeit zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. „The Look“, erfährt der Zuschauer wie nebenbei, bezieht sich auf eine Prägung Dirk Bogardes, der damit den katzenhaften Blick Ramplings zwischen Verführung und Angriffslust auf den Punkt brachte.
Auf den Atelierbesuch bei Lindbergh folgen weitere Treffen etwa mit dem Schriftsteller Paul Auster, dem Lyriker Frederick Seidel, der Szenenbildnerin Franckie Diago oder Ramplings Sohn Barnaby Southcombe, der als Fernsehregisseur arbeitet. Jede der insgesamt neun Begegnungen ist an einem anderen Ort gefilmt und mit einer Art Motto versehen: Exponiertsein, Dämonen, Berufung, Tod, Schönheit, Alter, Tabu, Begehren und Liebe. Doch zum Glück sind das nur Stichworte, die das jeweilige Gespräch dazu anregen, nicht allzu beiläufig zu verlaufen. Zwischendurch gibt es auch ein paar ausgesuchte Filmausschnitte.
Das klingt alles sehr unaufgeregt und ist es auch. Die eingangs erwähnten „Skandalthemen“, mit denen sonst das Interesse an Charlotte Rampling geködert wird, finden zwar alle Erwähnung, doch eingebettet in den vertrauten Austausch mit den jeweiligen Gesprächspartnern verlieren sie ihren Sensationsanstrich. Sowohl Ramplings eigene Aussagen als auch die ihrer Freunde und Bekannten halten sich an eine Diskretionsvorgabe, die weder auf Bonmots noch auf ultimative Weisheiten setzt.
Und trotzdem ist „The Look“ ein ungeheuer unterhaltsamer Film. Was vor allem natürlich an Rampling selbst liegt, die sich im lauten Nachdenken über Alter, Schönheit und Schauspielerberuf als wunderbare Mischung aus Reflektiertheit und Impulsivität erweist. Wobei das Schönste an Maccarones Film vielleicht gerade darin besteht, dass er letztlich ihr Geheimnis bewahrt – und auf diese Weise das Interesse an dieser faszinierenden Frau eben nicht erschöpft, sondern weiter wachhält.
BARBARA SCHWEIZERHOF
■ „The Look – Charlotte Rampling“. Regie: Angelina Maccarone, Porträtfilm. F/D 2011, 94 Min.