DIE BERLINALE-TASCHE SPOTTET JEDER BESCHREIBUNG : Meeresrauschen und Sex
VON DETLEF KUHLBRODT
Wie immer kommt die Berlinale viel zu früh. Ich hatte mich dieses Jahr um gar nichts gekümmert, alle Berlinalemitteilungen ignoriert, keine Pressevorführung geguckt, keine Artikel gelesen. Nur am Rande hatte ich mitbekommen: dass die Verfilmung dieses schrecklichen „Fifty Shades of Grey“ auf dem Festival läuft und dass zwei Folgen der Serie „Better Call Saul“ gezeigt werden.
Saul ist der großartige Anwalt von Walter, Jessie, Gus und den anderen Helden der schönen Serie „Breaking Bad“, und „Better Call Saul“ ist eine nachgereichte „Sequel“, wie wir Filmfachleute sagen. Gerade in diesen Zeiten tut ein bisschen humorvoller Eskapismus sicher gut. Leider wird „Better Call Saul“ nur einmal ganz weit draußen im Westen, im Haus der Berliner Festspiele, gezeigt. Witzigerweise ist dieses Jahr auch die Akademie der Künste im Hanseatenweg wieder wie in den 80er Jahren als Aufführungsort dabei.
Wie auch immer – Weihnachten und Silvester waren glücklich überstanden. Die Filmfestspiele konnten beginnen. Es war schon spät, ich war noch nicht akkreditiert und das Fahrrad war leider kaputt. Aus irgendeinem Grund dachte ich, man könne sich nur bis 16 Uhr akkreditieren. Ich fuhr also aus Pflichtgefühl aber doch zum Potsdamer Platz und freute mich sehr, dass alles gut klappte.
Nur die Berlinale-Taschen-Ausgabestelle war schon geschlossen. Was aber auch nicht sooooo schlimm war, denn die diesjährige Berlinale-Tasche spottet jeder Beschreibung. Der Kollege Marcus Weingärtner sprach treffend von der „Peter-Lustig-Löwenzahn-Variante“. Kann natürlich auch sein, dass sie in Wirklichkeit und von Nahem betrachtet doch gut ist. Auf den ersten Blick hatte ich in all den Jahren glaube ich jede Berlinale-Tasche doof gefunden. Nach ein paar Tagen des Gebrauchs hatte es sich dann aber doch meist herausgestellt, dass gerade die Taschen, die ich zunächst am heftigsten abgelehnt hatte, in Wirklichkeit die besten gewesen waren.
Meine Berlinale begann dann recht schön und unspektakulär mit dem brasilianischen Jugendlichenfilm „Beira-Mar“ von Filipe Matzembachers und Marcio Reolons. Es ist eine typische Jugendlichengeschichte mit Meeresrauschen und sexueller Orientierungssuche. Martin reist im Auftrag seines Vaters wegen einer Erbschaftsgeschichte in den Süden Brasiliens. Sein Freund Tomaz begleitet ihn. Im Auto hören sie das tolle Lied „My Life Is Starting Over Again“ von Daniel Johnston. Beide verbringen ein schönes Wochenende im Hause des Vaters. Die Verhandlungen im Auftrag des Vaters sind schwierig. Die Freunde feiern eine Nacht mit Mädchen. Dann sitzen sie zusammen und Martin erzählt seinem Freund, dass er in Wirklichkeit schwul sei. Sie schlafen miteinander. Und am nächsten Tag geht Tomaz schwimmen. Der Film hat eine schöne, leichte, fast wehmütige Melodie, und die Berlinale wird bestimmt wie immer wieder super.