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Archiv-Artikel

„Salz, das bedeutet zurück zur Natur“

FRITTIERT Chips machen süchtig, sind fettig und Sinnbild des westlichen Lebensstils, seit sie die Amerikaner nach dem Krieg verteilt haben. Über den Trend von Kartoffelscheiben

Norbert Haase

■ Haase, 55, ist Agrarwissenschaftler und arbeitet in der Lebensmittelforschung. Norbert Haase ist stellvertretender Leiter des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Getreide im Detmolder Max-Rubner-Institut. Sein Favorit unter den Kartoffelchips: gesalzen, nicht geriffelt.

sonntaz: Herr Haase, wie sind Chips überhaupt entstanden?

Norbert Haase: Der Legende nach wollte der Großindustrielle Cornelius Vanderbilt vor 150 Jahren sehr dünn geschnittene Bratkartoffeln essen. Er ließ die Kartoffeln so lange wieder zurückgehen, bis die Köchin wirklich hauchdünne Scheiben ausgebacken hatte. Ob das nun stimmt, weiß man nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Kartoffelchips mit den amerikanischen Soldaten dann nach Deutschland gekommen.

Wie schädlich sind Chips?

Angeblich sind Kartoffelchips aufgrund ihres Acrylamidgehaltes gesundheitsgefährdend. Die Toxikologen haben immer noch nicht die endgültigen Beweise dafür, dass eine bestimmte Acrylamidaufnahme direkt zu unerwünschten Reaktionen im Körper führt. Im Schnitt isst jeder Bürger nur einige wenige Gramm Kartoffelchips pro Tag. Ein gewisses Risiko besteht bei jedem Lebensmittel, das erhitzt wird. Seien es Chips, Brötchen, Toastbrot oder sogar Kaffee.

Warum machen Chips eigentlich süchtig?

Weil sie so gut schmecken. Hintergrund sind die Geschmacksverstärker, Glutamat oder Hefeextrakt mit Glutaminsäure.

Sind Chips aus biologisch angebauten Kartoffeln gesünder oder schmecken besser?

Nein, sie schmecken oft sogar etwas schlechter. Biologisch angebaute Kartoffeln müssen nach bestimmten Regeln gepflanzt, geerntet und gelagert werden. Häufig ist der Zuckergehalt deshalb höher. Und es bildet sich vermehrt Acrylamid.

Wie kommen die unterschiedlichen Sorten zustande?

Früher wurde in Deutschland mit Paprika gewürzt. Das hat man getan, weil die Paprikawürzung eine bestimmte rötliche Farbe mitbrachte und die Bräunungen überdeckte. Heute gibt es sehr viele Gewürzmischungen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir Deutschen gerne reisen. Und in anderen Ländern gibt es schon immer andere Gewürzrichtungen.

Warum stehen immer mehr salzige Sorten im Regal?

Salz oder Pfeffer, das bedeutet zurück zur Natur. Der Kunde will heute ein sogenanntes Clean-Label-Produkt haben, also möglichst wenige Zutaten und Fremdbestandteile. So muss der Hersteller dann auch weniger deklarieren.

Welche besonderen Geschmacksrichtungen gibt es?

In Ländern wie England kennt und liebt man Überwürzung. Was wir als versalzen empfinden, wird dort als völlig normal angesehen. Und das schwappt zu uns herüber. Die Menschen werden immer unempfindlicher und die Nahrung überwürzt. Es gibt kaum eine Geschmacksrichtung, die nicht als Würze für Kartoffelchips ausprobiert wurde.

Woher kommen die Obst- und Gemüsechips?

Wir beobachten, dass die Menschen weltweit Kartoffelchips mögen. Das scheint eine Assoziation mit dem westlichen Lebensstil zu sein. In asiatischen Ländern gibt es zwar Chipsfabriken, aber oftmals Probleme, hochwertige Kartoffeln anzubauen. Da weicht man aus und produziert andere Chips aus Obst oder Gemüse. INTERVIEW: JAN WEHN