: „Das Bedürfnis an Diskurs ist sehr hoch“
Wir sind woanders – unter diesem Motto geht Hamburgs freie Szene mit einem Festival an die Öffentlichkeit. Diskurse und Räume, die sonst eher verborgen sind, werden geöffnet. Man schätzt aber auch die Intimität.
MÓKA FARKAS, 39, betreibt die Galerie Elektrohaus Hamburg. Sie hat in Bonn und Hamburg studiert.
taz: Frau Farkas, sie sind Projektleiterin des Kunstfestivals „Wir sind woanders“. Wo möchten Sie gerne sein, wenn nicht hier?
Móka Farkas: Das Festival ist ein Zusammenschluss von 23 Kunstinitiativen, also freien Kunstorten, keinen kommerziellen Galerien. Der Titel bezieht sich darauf, dass wir über die ganze Stadt zerstreut sind.
Die freie Kunst-Szene ist gemessen an anderen Großstädten wie Berlin sonst nicht übermäßig präsent in Hamburg …
Gegenüber München zum Beispiel aber doch! Diese Vergleiche mit Berlin kommen bei uns gar nicht so auf. Es ist schon bekannt, dass es in Hamburg eine größere Off-Szene gibt. Von gewissen Leuten oder politischen Richtungen wird die aber geleugnet.
Warum?
Das hängt halt mit der Politik und der Stadtvermarktung zusammen. Zum Beispiel in dieser Berger-Studie …
… von der Unternehmensberatung Roland Berger …
… die der Herr Dräger und der Herr von Beust in Auftrag gegeben haben, da fehlt die Off-Szene – da wird das Thalia Gaussstraße als Off-Szene bezeichnet, was ja ein Teil der institutionalisierten Kultur ist.
Da fühlt sich die eigentliche Off-Szene übergangen?
Ja, vor allem finanziell.
Wer trägt denn die Veranstaltung „Wir sind woanders“?
Das ist aus den Mitteln eines anonymen Mäzens zustande gekommen. Aber ansonsten ist es so, dass zwischen 2000 und 2004 einen Boom gab, wo viele freie Galerien entstanden sind. Bloß die Mittel sind die gleichen geblieben: Was früher vier Institutionen unter sich verteilt haben, versuchen jetzt 23.
Die Szene scheint oft sehr selbstreferentiell – läuft man da nicht Gefahr, unter sich zu bleiben?
Doch, es passiert öfters mal, man muss aber dazu sagen: die freie Szene ist deswegen nicht traurig.
Nicht traurig?
Nicht traurig. Da passieren sehr gute Sachen, wenn die Künstler und ihre Freunde und ihre Kritiker unter sich sind. Da gibt es eine Art Intimität, wo gute Gespräche entstehen. Das nützt dem Künstler manchmal mehr, als würde er irgendwo präsentieren, und sich dann möglicherweise mit Leuten unterhalten, die zwar Fragen stellen, oder ein Unverständnis äußern oder eine Erklärung abverlangen. Das bringt den Künstler nicht unbedingt weiter.
Will die freie Szene denn nicht von sich aus den Dialog suchen? Provozieren?
Nicht in so einer auffälligen Form. Wobei es gibt schon welche, die das wollen, aber andere wieder nicht. Das Bedürfnis an Diskurs ist sehr hoch, aber im Moment schreit man nicht so.
INTERVIEW: HANNES LEUSCHNER
Das Festival geht noch bis 28. Oktober. Programm: www.wirsindwoanders.de