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Archiv-Artikel

Der forschende Mann der Grundlagen

Mit Gerhard Ertl hat ein Berliner Forscher den Nobelpreis für Chemie gewonnen, der die in vielen Bereichen wichtige Oberflächenchemie entscheidend geprägt hat. Gleichzeitig zeigt er sich auch als großer Befürworter des Forschungsstandorts Deutschland. Freudentränen seien ihm gekommen, als ihn Mittwochmorgen um 11.30 Uhr der Anruf der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften erreichte, er habe den Nobelpreis für Chemie 2007 erhalten, sagte Gerhard Ertl gestern.

„Ich hoffe, dass der Nobelpreis mein Leben nicht zu sehr verändern wird. Aber alle Preisträger sagen mir, dass er das tut.“ Der Mann hatte gestern gleich doppelt Grund zum Feiern: Die Stockholmer Entscheidung fiel ausgerechnet an seinem 71. Geburtstag. Ertl, der verheiratet ist und eine Tochter hat, wirkt seit 2004 als Professor emeritus für physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem. Zuvor leitete er das Institut für Physikalische Chemie als Direktor.

Der 1936 geborene Forscher machte 1965 in dem Fach seinen Doktor an der TU München und habilitierte sich dort. Die Studien über chemische Verfahren auf festen Oberflächen, für die er nun den Nobelpreis erhielt, können als sein Lebenswerk gelten: Seit den Sechzigerjahren schon versucht Ertl, das Geheimnis der Katalyse zu lüften. Ohne diese Prozesse wären viele Dinge der modernen Welt undenkbar – ob es nun der Abgas-Kat im Auto oder die Herstellung von Erdölfolgeprodukten ist.

Bei der Katalyse werden chemische Prozesse durch die Gegenwart bestimmter Metalle angeregt oder erst ermöglicht – warum das genau so abläuft, darüber tappte die Wissenschaft lange Zeit im Dunkeln. Erst die Arbeit von Ertl und seinen Kollegen lüftete die Hintergründe dieser Prozesse, erforscht mit hochsensiblen Instrumenten, die der Forscher erst entwickeln musste. Dass er da wichtige Dinge tat, war Ertl offenbar früh bewusst – er trage dazu bei, eine Art Alchemie in eine „exakte Wissenschaft“ zu überführen, sagte er einmal. Neben seiner Forschung kann man Ertl auch als ständigen Aktivisten für den Forschungsstandort Deutschland titulieren. Er war selbst lange Jahre Vizepräsident der Deutschen Forschungsgesellschaft, arbeitete vor allem in Hannover, München und schließlich, ab 1986, als Institutsleiter in Berlin.

Neben der Freude am Gewinn des Nobelpreises, der ihn auch deshalb überraschte, weil bereits ein Deutscher in Physik ausgezeichnet worden war, teilte er gestern denn auch gleich seine aktuelle Meinung über die hiesige Wissenschaftslandschaft mit: Die sei qualitativ hochwertig und keineswegs zu bejammern. BEN SCHWAN