MiRA – kritische Migrationsforschung & Aktion

Für die Verschmelzung von Theorie und Praxis und autonome Zugänge zur Universität

■ Öffentliche Ringvorlesung Zum Thema kritische Migrationsforschung: Eröffnungsveranstaltungen am: Donnerstag, 27. 10., 17 Uhr und Freitag, 28. 10., 17.30 Uhr Ab dem 31. 10. dann immer montags, 18 Uhr im Institut für Sozialwissenschaften,Universitätsstraße3b, Raum 002.

■ Im Netz: netzwerk-mira.de, allmendeberlin.al.funpic.de

„Der Wissenschaftsbetrieb und die sozialen Bewegungen kommunizieren zu wenig miteinander“, erklärt Franziska, Mitgründerin von MiRA. Für die Gruppe ist das ein großes Problem. Wie Franziska erklärt, dienen die Aktionen sozialer Bewegungen zur Sichtbarmachung der Probleme von Migration in der Öffentlichkeit. Da MigrantInnen und Flüchtlinge jedoch erschwerten Zugang zu den Universitäten hätten und dort an den Rand gedrängt würden, bleibe ihre Perspektive im akademischen Diskurs unberücksichtigt. Auf der anderen Seite seien WissenschaftlerInnen oft isoliert von den Menschen und Gruppen, über die sie schreiben, bestimmten aber trotzdem, von welcher Bedeutung Migration ist.

Die Gruppe ist davon überzeugt, dass die Isolation von Theorie und Praxis auflösbar ist. Ein Beleg dafür sei die Arbeit der französischen Philosophen und Soziologen Michel Foucault und Pierre Bourdieu. Beide seien darum bemüht gewesen, die beiden Sphären miteinander zu verknüpfen. Ihre Arbeit zeichne ihr Interesse an sozial ausgegrenzten Gruppen aus. „Damals gab es noch Interesse an den Erfahrungen der an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Mitmenschen“, erklärt Franziska, die seit Beginn bei MiRA aktiv ist.

Und so versucht MiRA den Dialog zwischen Wissenschaftsbetrieb und sozialer Bewegung zu stärken. Schließlich könnten beide Seiten davon profitieren: Themen der sozialen Bewegungen erhielten durch die akademische Lobby mehr Legitimität, AkademikerInnen hingegen würden auf neue Themen aufmerksam gemacht und könnten andere Perspektiven in ihrer Arbeit berücksichtigen.

Die Verschmelzung von Theorie und Praxis ist aber nicht nur ein wichtiges Ziel, sondern zugleich die Grundmaxime der Arbeit von MiRA. Die Gruppe versteht sich als kritische Plattform für Menschen, die in Migrationsalltag, -forschung und -aktion involviert sind. Inhaltlich positioniert sie sich gegen den vorherrschenden Diskurs über Migration an den Universitäten, weshalb sie sich auch für die Berücksichtigung von Flüchtlingen im wissenschaftlichen Diskurs einsetzt. Kontinuierlich nahm die Gruppe an Demonstrationen sowie Kundgebungen teil und organisierte bereits eine Ringvorlesung an der HU. Dabei spielte die Zusammenarbeit mit anderen antirassistischen Initiativen eine wichtige Rolle. Die Gruppe erhofft sich vom Austausch mit anderen AkteurInnen, das Thema Migration aus den unterschiedlichsten Perspektiven durchleuchten zu können.

In Zusammenarbeit mit dem MigrantInnenverein Allmende organisiert MiRA eine zweite Ringvorlesung, die den Titel „wer MACHT demo_kratie?“ trägt und die an diesem Donnerstag beginnt. Dort werden aus der Perspektive von MigrantInnen Fragen aufgeworfen, wie mit Migration überhaupt in der Forschung umgegangen wird, mit welchen Rechten MigrantInnen in westlichen Demokratien leben, für welche Rechte sie kämpfen, wie MigrantInnen mit ihren Kämpfen Demokratie konstruieren und welche Machtbeziehungen in geläufigen Demokratiebegriffen vorgezeichnet sind.

„Außerdem versuchen wir mit unserer Ringvorlesung, die wackligen Mauern zwischen Integrationsdebatten und der daran dringend zu übenden Kritik einzureißen, damit eine alternative Betrachtungsweise auf der Basis von Selbstbestimmung von Migrantinnen und Migranten entwickelt werden kann“, resümiert Duygu Gürsel von Allmende. Diese Gruppenzusammenarbeit soll innerhalb der Universität dazu beitragen, eine Debatte zwischen akademischen WissensproduzentInnen und antirassistischen migrantischen Bewegungen auf Augenhöhe zu führen.

Auf der Eröffnungsveranstaltung, die am Donnerstag, 17 Uhr im Institut für Sozialwissenschaft der Humboldt-Universität beginnt, wird es um die Bewertung westlicher Demokratietheorie aus der Perspektive der dekolonialen und feministischen Theorie gehen. Geleitet wird die Veranstaltung von Andrea Meza Torres von der Decolonial Group, mit der MiRA immer wieder zusammenarbeitet. Die Decolonial Group kritisiert die westliche Forschungsperspektive, die vorwiegend weiß und männlich geprägt sei. „Das wollen wir aufbrechen“, erklärt Meza Torres.

Die Wissenschaft und die sozialen Bewegungen kommunizieren zu wenig miteinander“

FRANZISKA

Ergänzend zur praktisch-politischen Arbeit gibt MiRA die Publikation „Kritische Migrationsforschung? Da kann ja jeder kommen“ heraus. In dieser Publikation wurden die Ergebnisse der ersten Ringvorlesung zusammengetragen und ergänzt. Ein Artikel von Gaston Ebua, der sich gegen die Residenzpflicht für Flüchtlinge engagiert, ist darin ebenfalls enthalten. Passend zu seinem Thema wird Ebua in der zweiten Eröffnungsveranstaltung der aktuellen Ringvorlesung, am kommenden Freitag (mehr siehe Kasten links), gemeinsam mit der Aktivistin Houria Bouteldja zu Dekolonialismus, Feminismus und Antirassismus sprechen.

LUKAS DUBRO